Thema: Writing
14. Juni 13 | Autor: volbeatfan | 0 Kommentare | Kommentieren
Mindestens zehn Sicherheitsbeamte rannten auf uns zu und jemand riss mich von Ryan weg. Ich sah, wie drei Beamte Ryan festhielten und ihm die Hände hinter dem Rücken zusammenschnürten. Der Mann, der vor nicht mal einer Minute „Da ist er!“ geschrien hatte baute sich nun vor Ryan auf und sagte: „Ryan Farrow, sie sind festgenommen aufgrund einer unduldbaren Abnormität. Man wird sie vor Gericht stellen und verurteilen.“
Was sollte das? Wieso erklärte dieser Mann Ryan, was mit jemandem gemacht wurde, der gegen eine Regel verstieß oder der einfach gegen die Norm verstieß? Ich versuchte mich von dem Mann loszureißen, der mich fest hielt. „Was soll das werden?“, stieß ich hervor.
„Ihr Freund ist eine Abnormität. Von einer zuverlässigen Quelle wurde uns mitgeteilt, dass er nicht normal ist und eine Gefahr für die Sicherheit darstellt.“, erklärte der Mann mir. „Das ist nicht wahr! Ryan hat doch nichts getan!“, protestierte ich. Was konnte man ihm nur vorwerfen? Immerhin war er immer lieb, nett und freundlich zu jedem. Wirklich zu jedem, sogar zu den Leuten die er nicht mochte. Und ganz bestimmt war er keine Abnormität! Das einzige, was an ihm nicht der Norm der Gemeinschaft entsprach war…oh verdammt. Was, wenn uns jemand belauscht hatte, gestern bei der Schwimmhalle? Was, wenn dieser jemand es den Sicherheitsangestellten erzählt hatte und sie jetzt wussten, dass Ryan nicht das fühlte was er fühlen sollte?
Mittlerweile waren die Sicherheitsbeamten, die Ryan gefesselt hatten dabei, ihn in einen Sicherheitstransporter zu zerren. „Lassen sie ihn los! Er hat nichts Falsches getan!“, schrie ich, riss mich los und rannte los, zu Ryan. Ich musste ihm helfen, denn er selbst wehrte sich nicht. Ich sah die Panik in dem Blick, den er mir zuwarf. In seinen Augen standen Tränen. „Elinor…sag ihnen…du musst mir helfen!“, stammelte er. Bevor ich etwas sagen konnte, wurde ich wieder von starken Händen gepackt und festgehalten. Die Sicherheitsbeamten stießen Ryan weiter in Richtung Transporter und er warf mir einen letzten verzweifelten Blick zu, bevor sie ihn hineinschubsten und die Tür hinter ihm schlossen. „Nein!“, rief ich und versuchte wieder, mich loszureißen.
„Gib es auf, Mädchen. Er ist weg, auf Nimmerwiedersehen.“, lachte der Beamte spöttisch, der mich festhielt.
Ich beobachtete wie die restlichen Sicherheitsbeamten in einen weiteren Transporter stiegen und sich der Tumult, den die ganze Aktion hervorgerufen hatte etwas klärte.
„Ich lass dich jetzt los. Und du baust keinen Mist, Kleine, ist das klar?“, sagte der Beate und ich nickte.
Fassungslos starrte ich ihnen hinterher und konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Hatte man Ryan wirklich gerade in einem Sicherheitstransporter ins Gefängnis gebracht um ihn vor Gericht zu stellen, mit der Begründung er sei eine Abnormität? Das war völliger Irrsinn. Wenn meine Handgelenke nicht vom festen Griff des Beamten geschmerzt hätten, hätte ich gedacht das alles sei ein Traum gewesen. Aber das war es nicht. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich konnte Ryan nicht helfen, indem ich hier herumstand und in die Gegend starrte. Ich konnte ihm nicht helfen, indem ich zum höchsten Sicherheitsbeamten ging und mich für seine Unschuld verbürgte. Keiner würde mir glauben. Verdammt, ich konnte ihm überhaupt nicht helfen. Ich war völlig machtlos.
Der Transporter, mit dem ich nach Hause fahren würde, hielt genau vor meiner Nase. Die Türen öffneten sich, aber ich stieg nicht ein. Ich stand wie paralysiert auf dem Bahnsteig und versuchte zu verstehen, was gerade geschehen war.
Ich würde Ryan nie wieder sehen. Nie wieder würde ich sein Lachen hören oder ihm durch seine dichten Haare wuscheln. Nie wieder die Grübchen sehen, die er bekam wenn er lächelte. Mich nie wieder mit ihm über Rowan und Adam lustig machen. Nie, nie wieder.
Er war einfach weg. Und ich hatte nichts dagegen tun können. Ich wollte wissen, was mit ihm passieren würde. Einen fairen Prozess bei dem über seine angebliche Abnormität abgestimmt werden würde bekam er mit Sicherheit nicht. Vermutlich würde man ihn für den Rest seines Lebens ins Gefängnis in den Hochsicherheitstrakt sperren. Oder man würde ihn töten. Beinahe hätte ich angefangen zu weinen. Aber bevor eine Träne mein Auge verlasse konnte, tippte mir von hinten jemand auf die Schulter und ich zuckte erschrocken zusammen.
„Na, auf was wartest du denn? Immerhin steht dein Transporter schon da!“, hörte ich Rafail sagen. Was machte der denn hier – er war doch mit Rowan und Adam unterwegs?
„Was schaust du denn so?“, fragte er. Offensichtlich hatte ich ihn ziemlich erschrocken angestarrt.
„Ich…ich dachte nur, du seist mit Rowan und Adam gegangen. Deswegen bin ich grade etwas verwirrt.“
Was für eine lausige Ausrede. Allerdings ließ er es sich nicht anmerken, falls er gemerkt hätte, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Ach so.“, sagte er. „Die beiden wollten noch zum Sprinten gehen, aber ich wollte nicht. Deswegen fahr ich jetzt nach Hause.“
Neben mir hörte ich ein leises Zischen, wie das, das man hörte, wenn sich die Türen eines Transporters schlossen. Oh nein. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie der Transporter aus der Haltestelle fuhr. Verdammt. Jetzt musste ich nach Hause laufen – und das auch noch in meinen scheußlichen Absatzschuhen.
„Jetzt musst du wohl oder übel nach Hause gehen.“, bemerkte Rafail mit einem süffisanten Lächeln. Als ob ich das nicht selber schon gemerkt hätte. Anstatt etwas zu antworten, warf ich ihm nur einen bösen Blick zu und ging los.
Was sollte das? Wieso erklärte dieser Mann Ryan, was mit jemandem gemacht wurde, der gegen eine Regel verstieß oder der einfach gegen die Norm verstieß? Ich versuchte mich von dem Mann loszureißen, der mich fest hielt. „Was soll das werden?“, stieß ich hervor.
„Ihr Freund ist eine Abnormität. Von einer zuverlässigen Quelle wurde uns mitgeteilt, dass er nicht normal ist und eine Gefahr für die Sicherheit darstellt.“, erklärte der Mann mir. „Das ist nicht wahr! Ryan hat doch nichts getan!“, protestierte ich. Was konnte man ihm nur vorwerfen? Immerhin war er immer lieb, nett und freundlich zu jedem. Wirklich zu jedem, sogar zu den Leuten die er nicht mochte. Und ganz bestimmt war er keine Abnormität! Das einzige, was an ihm nicht der Norm der Gemeinschaft entsprach war…oh verdammt. Was, wenn uns jemand belauscht hatte, gestern bei der Schwimmhalle? Was, wenn dieser jemand es den Sicherheitsangestellten erzählt hatte und sie jetzt wussten, dass Ryan nicht das fühlte was er fühlen sollte?
Mittlerweile waren die Sicherheitsbeamten, die Ryan gefesselt hatten dabei, ihn in einen Sicherheitstransporter zu zerren. „Lassen sie ihn los! Er hat nichts Falsches getan!“, schrie ich, riss mich los und rannte los, zu Ryan. Ich musste ihm helfen, denn er selbst wehrte sich nicht. Ich sah die Panik in dem Blick, den er mir zuwarf. In seinen Augen standen Tränen. „Elinor…sag ihnen…du musst mir helfen!“, stammelte er. Bevor ich etwas sagen konnte, wurde ich wieder von starken Händen gepackt und festgehalten. Die Sicherheitsbeamten stießen Ryan weiter in Richtung Transporter und er warf mir einen letzten verzweifelten Blick zu, bevor sie ihn hineinschubsten und die Tür hinter ihm schlossen. „Nein!“, rief ich und versuchte wieder, mich loszureißen.
„Gib es auf, Mädchen. Er ist weg, auf Nimmerwiedersehen.“, lachte der Beamte spöttisch, der mich festhielt.
Ich beobachtete wie die restlichen Sicherheitsbeamten in einen weiteren Transporter stiegen und sich der Tumult, den die ganze Aktion hervorgerufen hatte etwas klärte.
„Ich lass dich jetzt los. Und du baust keinen Mist, Kleine, ist das klar?“, sagte der Beate und ich nickte.
Fassungslos starrte ich ihnen hinterher und konnte nicht glauben, was gerade passiert war. Hatte man Ryan wirklich gerade in einem Sicherheitstransporter ins Gefängnis gebracht um ihn vor Gericht zu stellen, mit der Begründung er sei eine Abnormität? Das war völliger Irrsinn. Wenn meine Handgelenke nicht vom festen Griff des Beamten geschmerzt hätten, hätte ich gedacht das alles sei ein Traum gewesen. Aber das war es nicht. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich konnte Ryan nicht helfen, indem ich hier herumstand und in die Gegend starrte. Ich konnte ihm nicht helfen, indem ich zum höchsten Sicherheitsbeamten ging und mich für seine Unschuld verbürgte. Keiner würde mir glauben. Verdammt, ich konnte ihm überhaupt nicht helfen. Ich war völlig machtlos.
Der Transporter, mit dem ich nach Hause fahren würde, hielt genau vor meiner Nase. Die Türen öffneten sich, aber ich stieg nicht ein. Ich stand wie paralysiert auf dem Bahnsteig und versuchte zu verstehen, was gerade geschehen war.
Ich würde Ryan nie wieder sehen. Nie wieder würde ich sein Lachen hören oder ihm durch seine dichten Haare wuscheln. Nie wieder die Grübchen sehen, die er bekam wenn er lächelte. Mich nie wieder mit ihm über Rowan und Adam lustig machen. Nie, nie wieder.
Er war einfach weg. Und ich hatte nichts dagegen tun können. Ich wollte wissen, was mit ihm passieren würde. Einen fairen Prozess bei dem über seine angebliche Abnormität abgestimmt werden würde bekam er mit Sicherheit nicht. Vermutlich würde man ihn für den Rest seines Lebens ins Gefängnis in den Hochsicherheitstrakt sperren. Oder man würde ihn töten. Beinahe hätte ich angefangen zu weinen. Aber bevor eine Träne mein Auge verlasse konnte, tippte mir von hinten jemand auf die Schulter und ich zuckte erschrocken zusammen.
„Na, auf was wartest du denn? Immerhin steht dein Transporter schon da!“, hörte ich Rafail sagen. Was machte der denn hier – er war doch mit Rowan und Adam unterwegs?
„Was schaust du denn so?“, fragte er. Offensichtlich hatte ich ihn ziemlich erschrocken angestarrt.
„Ich…ich dachte nur, du seist mit Rowan und Adam gegangen. Deswegen bin ich grade etwas verwirrt.“
Was für eine lausige Ausrede. Allerdings ließ er es sich nicht anmerken, falls er gemerkt hätte, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Ach so.“, sagte er. „Die beiden wollten noch zum Sprinten gehen, aber ich wollte nicht. Deswegen fahr ich jetzt nach Hause.“
Neben mir hörte ich ein leises Zischen, wie das, das man hörte, wenn sich die Türen eines Transporters schlossen. Oh nein. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie der Transporter aus der Haltestelle fuhr. Verdammt. Jetzt musste ich nach Hause laufen – und das auch noch in meinen scheußlichen Absatzschuhen.
„Jetzt musst du wohl oder übel nach Hause gehen.“, bemerkte Rafail mit einem süffisanten Lächeln. Als ob ich das nicht selber schon gemerkt hätte. Anstatt etwas zu antworten, warf ich ihm nur einen bösen Blick zu und ging los.
Thema: Writing
„Er starrt dich an…“, flüsterte Rowan und riss mich aus meinen Gedanken.
„Ach komm, bestimmt nicht, wieso sollte er auch?“, versuchte ich sie davon abzulenken, dass auch ich ihn angestarrt hatte.
„Sag mal, kennst du ihn? Der sieht nämlich richtig, richtig gut aus!“, sagte sie.
„Nein, ich kenn ihn nicht. Es könnte sein, dass ich ihn schon mal irgendwo gesehen hab, aber ganz sicher bin ich mir nicht.“, erwiderte ich. Das war nicht mal gelogen. Ich hatte ihn ja wirklich schon mal irgendwo gesehen, aber ganz sicher war ich mir nicht.
Den Rest des Unterrichts musste ich mir Rowans Schwärmereien darüber anhören, wie toll Rafail doch aussah und dass er bestimmt total nett war und dass sie in unbedingt kennen lernen musste.
Ich blendete sie aus und war wahnsinnig froh, als es zur Mittagspause läutete.
„Schau mal! Da ist Rafail! Ich frag ihn, ob er sich zu uns setzen will!“, rief Rowan plötzlich und sprang auf. Rafail stand mit seinem Tablett unschlüssig neben der Essensausgabe und schaute sich nach einem freien Platz um. Ich beobachtete Rowan wie sie zu im rüber ging, etwas sagte und eine unbestimmte Handbewegung in die Richtung unseres Tisches machte. Rafail nickte und folgte ihr.
Als sie an unserem Tisch angekommen waren, setzte Rafail sich auf den Platz gegenüber von mir und Rowan stellte uns vor.
„Also das ist Adam, das ist Elinor und das ist Ryan!“, stellte sie uns vor. Zaghaft lächelte ich Rafail an, weil ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Ich war noch nie besonders gut im Umgang mit Menschen gewesen, die ich nicht gut kannte.
„Und, wie ist das so, wenn man zu Hause unterrichtet wird?“, begann Adam ein Gespräch. Während Rafail ihm erzählte, dass es ziemlich langweilig war und dass er es viel unterhaltsamer fand, zur Schule zu gehen, stocherte ich mit gesenktem Blick in meinem Essen herum. Irgendwie fühlte ich mich in Rafails Anwesenheit unwohl. Er wirkte irgendwie überheblich, eingebildet, so, als würde er denken, er sei etwas Besseres.
Irgendwie wusste ich, dass er nicht der Junge aus meinem Traum war, denn diesen Jungen hätte ich gemocht, zumindest tat ich das in meinem Traum. Aber Rafail mochte ich nicht, er war mir schlicht und einfach unsympathisch. Rowan und Adam hingegen schienen total vernarrt in ihn zu sein. Rowan himmelte ihn immer noch an und Adam versuchte, so cool wie nur irgend möglich zu wirken, was ihm aber leider total misslang. Ryan hingegen hätte mein Spiegelbild sein können. Er stocherte genau wie ich in seinem Essen herum und beteiligte sich ebenfalls nicht im geringsten am Gespräch.
„Elinor, was ist denn heute mit dir? Du isst schon wieder kaum etwas und du wirkst schon wieder so abwesend!“, sagte Rowan plötzlich zu mir.
„Es ist nur…nichts. Ich bin nur müde.“, erwiderte ich.
„Hast du heute Nacht auch so schlecht geschlafen wie ich?“, fragte Ryan und ich warf ihm einen dankbaren Blick zu.
„Ja…ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht, weil Jamie wieder mal zu mir gekommen ist weil er Angst im Dunkeln hatte.“, sagte ich und grinste um meine Lüge zu vertuschen.
Rafail sah mich mit durchdringendem Blick an. Er setzte dazu an, etwas zu sagen, ließ es aber dann doch bleiben. In dem Moment tönte die Stimme des Direktors aus den Lautsprechern, die uns verkündete, dass die Mittagspause zu Ende war. Ich lief mit Ryan noch zu den Mülleimern, um unsere Behälter zu entsorgen.
„Sag mal, findest du Rafail auch irgendwie seltsam? Ich meine, er ist… irgendwie unsympathisch, so überheblich, als würde er denken er sei was Besseres. Ich mag ihn irgendwie nicht.“, sagte Ryan unvermittelt. Ich nickte nur zustimmend.
„Rowan und Adam scheinen ganz begeistert von ihm zu sein. Ich verstehe nur nicht ganz, warum.“, sagte ich, als wir zurück ins Klassenzimmer gingen. Adam, Rowan und Rafail saßen schon wieder auf ihren Plätzen und Rowan sah mich mit leuchtenden Augen an, als ich mich neben sie setzte.
„Ist er nicht toll? Ich meine, er sieht so gut aus…und dann ist er auch noch total nett!“, fing sie an. Bevor ich irgendetwas hätte sagen können betrat der Lehrer das Klassenzimmer und fuhr mit seinem Unterricht vor. Ich merkte, dass Rowan mir weiterhin von Rafail vorschwärmte, aber ich blendete sie aus und sie gab sich damit zufrieden, dass ich in regelmäßigen Abständen nickte, ihr zustimmte und ‚Mhm‘ machte. So ging es die zwei Stunden bis zum Unterrichtsende dahin und ich war unendlich froh, als es vorbei war. Rowan sprang sofort auf und rannte vor zu Rafail, was mir irgendwie klar gewesen war. Adam tat ihm Grunde genommen das gleiche, allerdings in dem Versuch, betont cool zu wirken. Hinter mir hörte ich Ryan leise lachen.
„Was ist denn?“, fragte ich ihn.
„Nichts…haha…sieh dir doch nur die zwei an. Wie sie ihn anhimmeln! Haha – was hat der Typ nur gemacht, dass die ihn so toll finden? Ich mein, der ist doch einfach nur total selbstgefällig und überheblich, findest du nicht?“, kicherte er.
„Gute Frage…das geht bei Rowan schon so, seit die ihn das erste Mal gesehen hat.“, sagte ich und grinste, als ich beobachtete, wie Rafail aufstand und das Klassenzimmer verließ, während Rowan und Adam ihm hinterherdackelten.
„Na komm, gehen wir. Wenigstens sind wir beide nicht so besessen von dem Typen.“, lachte Ryan, legte mir einen Arm um die Schulter und zog mich aus dem Klassenzimmer. Irgendwie fand ich es ja ganz amüsant, wie die beiden sich verhielten, aber irgendwas daran bereitete mir auch Sorgen.
Ryan und ich liefen gemeinsam zur Haltestelle. Schon von weitem sah ich die uniformierten Sicherheitsangestellten, die vor einem Sicherheitstransporter herumrannten. Was war da nur los? War wirklich etwas passiert oder war das nur eine Übung für den Notfall?
Als wir näher an die Haltestelle kamen, fiel mir der suchende Blick der Sicherheitsangestellten auf. Offensichtlich wollten sie jemanden festnehmen. Aber wen nur?
Plötzlich brüllte einer der Beamten „Da ist er!“ und deutet in unsere Richtung. Ich drehte mich um, um zu sehen wen er meinte, aber hinter mir stand niemand.
„Ach komm, bestimmt nicht, wieso sollte er auch?“, versuchte ich sie davon abzulenken, dass auch ich ihn angestarrt hatte.
„Sag mal, kennst du ihn? Der sieht nämlich richtig, richtig gut aus!“, sagte sie.
„Nein, ich kenn ihn nicht. Es könnte sein, dass ich ihn schon mal irgendwo gesehen hab, aber ganz sicher bin ich mir nicht.“, erwiderte ich. Das war nicht mal gelogen. Ich hatte ihn ja wirklich schon mal irgendwo gesehen, aber ganz sicher war ich mir nicht.
Den Rest des Unterrichts musste ich mir Rowans Schwärmereien darüber anhören, wie toll Rafail doch aussah und dass er bestimmt total nett war und dass sie in unbedingt kennen lernen musste.
Ich blendete sie aus und war wahnsinnig froh, als es zur Mittagspause läutete.
„Schau mal! Da ist Rafail! Ich frag ihn, ob er sich zu uns setzen will!“, rief Rowan plötzlich und sprang auf. Rafail stand mit seinem Tablett unschlüssig neben der Essensausgabe und schaute sich nach einem freien Platz um. Ich beobachtete Rowan wie sie zu im rüber ging, etwas sagte und eine unbestimmte Handbewegung in die Richtung unseres Tisches machte. Rafail nickte und folgte ihr.
Als sie an unserem Tisch angekommen waren, setzte Rafail sich auf den Platz gegenüber von mir und Rowan stellte uns vor.
„Also das ist Adam, das ist Elinor und das ist Ryan!“, stellte sie uns vor. Zaghaft lächelte ich Rafail an, weil ich nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Ich war noch nie besonders gut im Umgang mit Menschen gewesen, die ich nicht gut kannte.
„Und, wie ist das so, wenn man zu Hause unterrichtet wird?“, begann Adam ein Gespräch. Während Rafail ihm erzählte, dass es ziemlich langweilig war und dass er es viel unterhaltsamer fand, zur Schule zu gehen, stocherte ich mit gesenktem Blick in meinem Essen herum. Irgendwie fühlte ich mich in Rafails Anwesenheit unwohl. Er wirkte irgendwie überheblich, eingebildet, so, als würde er denken, er sei etwas Besseres.
Irgendwie wusste ich, dass er nicht der Junge aus meinem Traum war, denn diesen Jungen hätte ich gemocht, zumindest tat ich das in meinem Traum. Aber Rafail mochte ich nicht, er war mir schlicht und einfach unsympathisch. Rowan und Adam hingegen schienen total vernarrt in ihn zu sein. Rowan himmelte ihn immer noch an und Adam versuchte, so cool wie nur irgend möglich zu wirken, was ihm aber leider total misslang. Ryan hingegen hätte mein Spiegelbild sein können. Er stocherte genau wie ich in seinem Essen herum und beteiligte sich ebenfalls nicht im geringsten am Gespräch.
„Elinor, was ist denn heute mit dir? Du isst schon wieder kaum etwas und du wirkst schon wieder so abwesend!“, sagte Rowan plötzlich zu mir.
„Es ist nur…nichts. Ich bin nur müde.“, erwiderte ich.
„Hast du heute Nacht auch so schlecht geschlafen wie ich?“, fragte Ryan und ich warf ihm einen dankbaren Blick zu.
„Ja…ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht, weil Jamie wieder mal zu mir gekommen ist weil er Angst im Dunkeln hatte.“, sagte ich und grinste um meine Lüge zu vertuschen.
Rafail sah mich mit durchdringendem Blick an. Er setzte dazu an, etwas zu sagen, ließ es aber dann doch bleiben. In dem Moment tönte die Stimme des Direktors aus den Lautsprechern, die uns verkündete, dass die Mittagspause zu Ende war. Ich lief mit Ryan noch zu den Mülleimern, um unsere Behälter zu entsorgen.
„Sag mal, findest du Rafail auch irgendwie seltsam? Ich meine, er ist… irgendwie unsympathisch, so überheblich, als würde er denken er sei was Besseres. Ich mag ihn irgendwie nicht.“, sagte Ryan unvermittelt. Ich nickte nur zustimmend.
„Rowan und Adam scheinen ganz begeistert von ihm zu sein. Ich verstehe nur nicht ganz, warum.“, sagte ich, als wir zurück ins Klassenzimmer gingen. Adam, Rowan und Rafail saßen schon wieder auf ihren Plätzen und Rowan sah mich mit leuchtenden Augen an, als ich mich neben sie setzte.
„Ist er nicht toll? Ich meine, er sieht so gut aus…und dann ist er auch noch total nett!“, fing sie an. Bevor ich irgendetwas hätte sagen können betrat der Lehrer das Klassenzimmer und fuhr mit seinem Unterricht vor. Ich merkte, dass Rowan mir weiterhin von Rafail vorschwärmte, aber ich blendete sie aus und sie gab sich damit zufrieden, dass ich in regelmäßigen Abständen nickte, ihr zustimmte und ‚Mhm‘ machte. So ging es die zwei Stunden bis zum Unterrichtsende dahin und ich war unendlich froh, als es vorbei war. Rowan sprang sofort auf und rannte vor zu Rafail, was mir irgendwie klar gewesen war. Adam tat ihm Grunde genommen das gleiche, allerdings in dem Versuch, betont cool zu wirken. Hinter mir hörte ich Ryan leise lachen.
„Was ist denn?“, fragte ich ihn.
„Nichts…haha…sieh dir doch nur die zwei an. Wie sie ihn anhimmeln! Haha – was hat der Typ nur gemacht, dass die ihn so toll finden? Ich mein, der ist doch einfach nur total selbstgefällig und überheblich, findest du nicht?“, kicherte er.
„Gute Frage…das geht bei Rowan schon so, seit die ihn das erste Mal gesehen hat.“, sagte ich und grinste, als ich beobachtete, wie Rafail aufstand und das Klassenzimmer verließ, während Rowan und Adam ihm hinterherdackelten.
„Na komm, gehen wir. Wenigstens sind wir beide nicht so besessen von dem Typen.“, lachte Ryan, legte mir einen Arm um die Schulter und zog mich aus dem Klassenzimmer. Irgendwie fand ich es ja ganz amüsant, wie die beiden sich verhielten, aber irgendwas daran bereitete mir auch Sorgen.
Ryan und ich liefen gemeinsam zur Haltestelle. Schon von weitem sah ich die uniformierten Sicherheitsangestellten, die vor einem Sicherheitstransporter herumrannten. Was war da nur los? War wirklich etwas passiert oder war das nur eine Übung für den Notfall?
Als wir näher an die Haltestelle kamen, fiel mir der suchende Blick der Sicherheitsangestellten auf. Offensichtlich wollten sie jemanden festnehmen. Aber wen nur?
Plötzlich brüllte einer der Beamten „Da ist er!“ und deutet in unsere Richtung. Ich drehte mich um, um zu sehen wen er meinte, aber hinter mir stand niemand.
Thema: Writing
Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir, dass ich fast die ganze Nacht geschlafen hatte, also stand ich auf und lief ins Bad, um zu duschen. Nach einer kalten Dusche konnte ich wieder klarer denken. Als nächstes weckte ich Jamie und wartete in der Küche mit dem Frühstück auf ihn.
Als er aus dem Bad kam, riss er wie immer sofort seinen Essensbehälter auf, um zwei Sekunden später mit einem seligen Blick Rührei in seinen Mund zu schaufeln. Ich zog den Deckel von meinem und fand darin eine schleimige Pampe vor. Haferschleim mit – was war das? – irgendwelchen Beeren. Na toll. Ich konnte Haferschleim nicht ausstehen, genauso wenig wie Jamie. Irgendwie schaffte ich es trotzdem, den Behälter leer zu essen und warf ihn in den Müll. Dann schlüpfte ich in die verhassten Schuhe und lief zur Haltestelle, ohne auf Jamie zu warten. Er musste sowieso erst in einer halben Stunde den Transporter zum Kinderhort nehmen.
Im Transporter erwischte ich den gleichen Platz wie gestern, dieses Mal allerdings neben einer älteren Frau. Heute kam mir die Fahrt viel kürzer vor als gestern und ich versank auch nicht wieder komplett in Gedanken, sodass ich heute sogar mitbekam, als ich aussteigen musste.
Ich lief wie gestern die Treppen zur Schule hoch in mein Klassenzimmer – wie jeden Tag. Es war einfach immer dasselbe. Ich hätte viel dafür getan, um nur einmal etwas Neues zu erleben oder irgendetwas Neues zu sehen. Etwas, das ich nicht schon in und auswendig kannte. Im Klassenzimmer angekommen, ging ich ohne Umwege zu meinem Platz und setzte mich. Während ich dort auf Rowan, Adam und Ryan wartete, ließ ich meinen Blick durch den Raum wandern. Da waren Marie, Anna und Lea die auf den Tischen saßen und vermutlich wie üblich den neuesten Klatsch diskutierten. Da war Lucas, der auf seinem Tisch schlief, Mike und Thomas, die Armdrücken machten und…wer war das? Auf dem Tisch genau vor dem Lehrer saß ein Junge mit halblangen Haaren. War er neu? Nein…das konnte nicht sein. Neue Schüler gab es hier nie. Immerhin gab es nur diese einzige Schule in der Gemeinschaft.
„Guten Morgen!“, rief Rowan und ich zuckte zusammen. „Hab ich dich erschreckt?“, lachte sie. „Du hast so verträumt ausgesehen…na, an wen hast du gedacht?“
„An niemanden. Und das weißt du.“, erwiderte ich. „Ja, Rowan, du weißt doch, dass unsere keine Eisprinzessin niemanden an sich ranlässt, auch wenn manch einer es versuchen würde!“, mischte Adam sich ein und setzte sich auf den Tisch hinter unserem. „Mensch, Adam, du weißt genau, dass das nicht stimmt. Du weißt genau, dass ich mich für keinen Jungen interessiere und kein Junge sich für mich!“, fuhr ich ihn an. Manchmal ging er mir einfach furchtbar auf die Nerven.
„Hey, hört auf zu streiten und sagt mir lieber mal, wer der Typ mit den schwarzen Haaren da vorne ist!“, unterbrach uns Rowan. „Ich hab keine Ahnung. Offensichtlich ist er neu. Aber wo sollte er plötzlich herkommen?“, meinte Adam. Ich zuckte nur mit den Schultern. Dann betrat der Lehrer das Klassenzimmer und die Gespräche verstummten. Plötzlich fiel mir auf, dass Ryan nicht da war.
„Weißt du, wo Ryan ist?“, fragte ich Rowan. „Ne, keine Ahnung. Vielleicht hat er seinen Transporter verpasst?“ Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Ryan verpasste nie seinen Transporter, dafür war er viel zu zuverlässig. Irgendwas war nicht in Ordnung, das hatte ich im Gefühl. Aber bevor ich mir weiter Sorgen um Ryan machen konnte, wurde ich vom Lehrer unterbrochen.
„Meine Damen und Herren, darf ich ihnen Rafail vorstellen, ihren neuen Mitschüler? Er wurde bis jetzt zu Hause unterrichtet, aber um die Prüfungen machen zu können, kommt er zu uns. Ich erwarte von ihnen, dass sie nett zu ihm sind und ihn als einen von ihnen aufnehmen.“
Zu Hause unterrichtet? Irgendetwas daran fand ich seltsam. Es gab kaum Eltern, die das machten. Und wenn es jemand machte, dann war es mit Sicherheit jemand aus der Superior-Class, denn für die anderen Klassen gab es dieses Privileg nicht. Aber wenn er aus der Superior-Class war, dann müsste ich ihn kennen. Allerdings hatte ich ihn noch nie irgendwo gesehen. Zumindest glaubte ich das, aber ich konnte mich auch irren, da ich sein Gesicht noch nicht gesehen hatte.
„Kennst du ihn?“, fragte Rowan mich und ich schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht. Aber ich wette, er sieht sehr gut aus. Ich wünschte, er würde sich umdrehen, damit ich sein Gesicht sehen kann.“, fuhr sie fort. „Hast du irgendwas, das ich werfen kann?“
„Was? Nein Rowan, ich hab nichts, das du nach ihm werfen kannst damit er sich umdreht!“, sagte ich und grinste. Das war typisch Rowan. Und es war typisch für unseren Lehrer, dass er ganz vertieft vor sich hinmurmelte und währenddessen aus dem Fenster blickte, ohne sich darum zu kümmern, ob wir ihm zuhörten oder nicht.
„Dreh dich um, dreh dich um, dreh dich um…“, flüsterte Rowan vor sich hin, so als ob sie den Jungen damit beschwören könnte, sich umzudrehen. In dem Moment betrat Ryan das Klassenzimmer.
„Tut mir Leid, dass ich zu spät bin. Ich hab meinen Transporter verpasst und musste laufen.“, entschuldigte e sich beim Lehrer. Der nickte nur, bedeutete Ryan, sich zu setzen und fuhr mit dem Unterricht fort. Als Ryan an meinem Platz vorbeiging lächelte er mich kurz an und ich wollte etwas zu ihm sagen, aber da atmete Rowan neben mir plötzlich überrascht ein.
„Was ist denn?“, fragte ich sie.
„Er hat sich umgedreht. Und wie ich’s dir gesagt habe – er sieht wahnsinnig gut aus! Eine Schande, so jemanden zu Hause unterrichten zu lassen.“, meinte sie. „Vielleicht hast du Glück und er dreht sich noch einmal um, damit du ihn auch siehst! Da! Pass auf!“
Der Junge drehte sich zu uns um und Rowan seufzte schwärmerisch. Ich erstarrte.
Ich kannte ihn. Er hatte dieselben hohen Wangenknochen, die gleiche makellose, blasse Haut wie der Junge aus meinem Traum. Aber er war es nicht, etwas war anders. Die Augen.
Die Augen aus meinem Traum waren dunkelbraun gewesen, mit grünen und silbernen Sprenkeln darin. Diese hier waren von einem intensiven Grün, ganz anders als die des Jungen in meinem Traum. Aber der Rest war absolut identisch, was mich noch mehr verwirrte. Vielleicht war es der Junge aus meinem Traum und ich hatte in meinem Traum etwas verdreht? Das war die einzige Erklärung die mir dazu einfiel.
Als er aus dem Bad kam, riss er wie immer sofort seinen Essensbehälter auf, um zwei Sekunden später mit einem seligen Blick Rührei in seinen Mund zu schaufeln. Ich zog den Deckel von meinem und fand darin eine schleimige Pampe vor. Haferschleim mit – was war das? – irgendwelchen Beeren. Na toll. Ich konnte Haferschleim nicht ausstehen, genauso wenig wie Jamie. Irgendwie schaffte ich es trotzdem, den Behälter leer zu essen und warf ihn in den Müll. Dann schlüpfte ich in die verhassten Schuhe und lief zur Haltestelle, ohne auf Jamie zu warten. Er musste sowieso erst in einer halben Stunde den Transporter zum Kinderhort nehmen.
Im Transporter erwischte ich den gleichen Platz wie gestern, dieses Mal allerdings neben einer älteren Frau. Heute kam mir die Fahrt viel kürzer vor als gestern und ich versank auch nicht wieder komplett in Gedanken, sodass ich heute sogar mitbekam, als ich aussteigen musste.
Ich lief wie gestern die Treppen zur Schule hoch in mein Klassenzimmer – wie jeden Tag. Es war einfach immer dasselbe. Ich hätte viel dafür getan, um nur einmal etwas Neues zu erleben oder irgendetwas Neues zu sehen. Etwas, das ich nicht schon in und auswendig kannte. Im Klassenzimmer angekommen, ging ich ohne Umwege zu meinem Platz und setzte mich. Während ich dort auf Rowan, Adam und Ryan wartete, ließ ich meinen Blick durch den Raum wandern. Da waren Marie, Anna und Lea die auf den Tischen saßen und vermutlich wie üblich den neuesten Klatsch diskutierten. Da war Lucas, der auf seinem Tisch schlief, Mike und Thomas, die Armdrücken machten und…wer war das? Auf dem Tisch genau vor dem Lehrer saß ein Junge mit halblangen Haaren. War er neu? Nein…das konnte nicht sein. Neue Schüler gab es hier nie. Immerhin gab es nur diese einzige Schule in der Gemeinschaft.
„Guten Morgen!“, rief Rowan und ich zuckte zusammen. „Hab ich dich erschreckt?“, lachte sie. „Du hast so verträumt ausgesehen…na, an wen hast du gedacht?“
„An niemanden. Und das weißt du.“, erwiderte ich. „Ja, Rowan, du weißt doch, dass unsere keine Eisprinzessin niemanden an sich ranlässt, auch wenn manch einer es versuchen würde!“, mischte Adam sich ein und setzte sich auf den Tisch hinter unserem. „Mensch, Adam, du weißt genau, dass das nicht stimmt. Du weißt genau, dass ich mich für keinen Jungen interessiere und kein Junge sich für mich!“, fuhr ich ihn an. Manchmal ging er mir einfach furchtbar auf die Nerven.
„Hey, hört auf zu streiten und sagt mir lieber mal, wer der Typ mit den schwarzen Haaren da vorne ist!“, unterbrach uns Rowan. „Ich hab keine Ahnung. Offensichtlich ist er neu. Aber wo sollte er plötzlich herkommen?“, meinte Adam. Ich zuckte nur mit den Schultern. Dann betrat der Lehrer das Klassenzimmer und die Gespräche verstummten. Plötzlich fiel mir auf, dass Ryan nicht da war.
„Weißt du, wo Ryan ist?“, fragte ich Rowan. „Ne, keine Ahnung. Vielleicht hat er seinen Transporter verpasst?“ Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Ryan verpasste nie seinen Transporter, dafür war er viel zu zuverlässig. Irgendwas war nicht in Ordnung, das hatte ich im Gefühl. Aber bevor ich mir weiter Sorgen um Ryan machen konnte, wurde ich vom Lehrer unterbrochen.
„Meine Damen und Herren, darf ich ihnen Rafail vorstellen, ihren neuen Mitschüler? Er wurde bis jetzt zu Hause unterrichtet, aber um die Prüfungen machen zu können, kommt er zu uns. Ich erwarte von ihnen, dass sie nett zu ihm sind und ihn als einen von ihnen aufnehmen.“
Zu Hause unterrichtet? Irgendetwas daran fand ich seltsam. Es gab kaum Eltern, die das machten. Und wenn es jemand machte, dann war es mit Sicherheit jemand aus der Superior-Class, denn für die anderen Klassen gab es dieses Privileg nicht. Aber wenn er aus der Superior-Class war, dann müsste ich ihn kennen. Allerdings hatte ich ihn noch nie irgendwo gesehen. Zumindest glaubte ich das, aber ich konnte mich auch irren, da ich sein Gesicht noch nicht gesehen hatte.
„Kennst du ihn?“, fragte Rowan mich und ich schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht. Aber ich wette, er sieht sehr gut aus. Ich wünschte, er würde sich umdrehen, damit ich sein Gesicht sehen kann.“, fuhr sie fort. „Hast du irgendwas, das ich werfen kann?“
„Was? Nein Rowan, ich hab nichts, das du nach ihm werfen kannst damit er sich umdreht!“, sagte ich und grinste. Das war typisch Rowan. Und es war typisch für unseren Lehrer, dass er ganz vertieft vor sich hinmurmelte und währenddessen aus dem Fenster blickte, ohne sich darum zu kümmern, ob wir ihm zuhörten oder nicht.
„Dreh dich um, dreh dich um, dreh dich um…“, flüsterte Rowan vor sich hin, so als ob sie den Jungen damit beschwören könnte, sich umzudrehen. In dem Moment betrat Ryan das Klassenzimmer.
„Tut mir Leid, dass ich zu spät bin. Ich hab meinen Transporter verpasst und musste laufen.“, entschuldigte e sich beim Lehrer. Der nickte nur, bedeutete Ryan, sich zu setzen und fuhr mit dem Unterricht fort. Als Ryan an meinem Platz vorbeiging lächelte er mich kurz an und ich wollte etwas zu ihm sagen, aber da atmete Rowan neben mir plötzlich überrascht ein.
„Was ist denn?“, fragte ich sie.
„Er hat sich umgedreht. Und wie ich’s dir gesagt habe – er sieht wahnsinnig gut aus! Eine Schande, so jemanden zu Hause unterrichten zu lassen.“, meinte sie. „Vielleicht hast du Glück und er dreht sich noch einmal um, damit du ihn auch siehst! Da! Pass auf!“
Der Junge drehte sich zu uns um und Rowan seufzte schwärmerisch. Ich erstarrte.
Ich kannte ihn. Er hatte dieselben hohen Wangenknochen, die gleiche makellose, blasse Haut wie der Junge aus meinem Traum. Aber er war es nicht, etwas war anders. Die Augen.
Die Augen aus meinem Traum waren dunkelbraun gewesen, mit grünen und silbernen Sprenkeln darin. Diese hier waren von einem intensiven Grün, ganz anders als die des Jungen in meinem Traum. Aber der Rest war absolut identisch, was mich noch mehr verwirrte. Vielleicht war es der Junge aus meinem Traum und ich hatte in meinem Traum etwas verdreht? Das war die einzige Erklärung die mir dazu einfiel.
Thema: Writing
Heute gibt's mal wieder nen Teil von meinem Buch, weil ich mich mit dem tippen grade ein wenig schwer tu, weil ich am linken Handgelenk nen Mega-Verband hab :D Allerdings hält mich der auch nicht davon ab, dass ich weiterschreib, momentan hab ich nämlich nen richtigen Schreibfluss... xD Aber naja, here it is - Part 4:
Ich winkte Ryan zu, als er in den Transporter stieg, der ihn nach Hause bringen würde. Ich musste etwa eine Minute warten, bis der Transporter kam, der mich zu der Haltestelle vor dem Haus meiner Eltern bringen würde. Als ich einstieg, bemerkte ich, wie viele Menschen sich in dem Transporter befanden. Offensichtlich hatten sie heute alle schon Feierabend. Ich fand einen freien Platz, setzte mich und starrte aus dem Fenster. In Gedanken war ich immer noch bei dem, was Ryan mir erzählt hatte.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich beinahe meine Haltestelle verpasst hätte. Im letzten Moment schlüpfte ich noch durch die offene Tür und lief die Treppe zu unserem Haus hoch. Jamie wartete schon auf mich.
„Mom und Dad sind heute nicht da, sie haben gesagt, du musst auf mich aufpassen!“, rief er und grinste.
Das war mal wieder typisch für unsere Eltern. Jamie und ich waren ihnen völlig egal. Wir waren ihnen nur ein Klotz am Bein, sie hatten uns nur dafür bekommen, um ihren Teil zum Fortbestand der Gemeinschaft beizutragen. Sie kümmerten sich nicht um uns, ließen uns ständig alleine und wenn sie dann einmal zu Hause waren, ignorierten sie uns. Aber wir waren es nicht anders gewohnt und kamen ganz gut zurecht.
„Hast du schon was gegessen?“, fragte ich ihn.
„Nö, ich wollte auf dich warten. Das macht mehr Spaß!“, rief er und grinste, sodass ich seine vielen Zahnlücken sehen konnte. Ich ließ mich von ihm ins Ess- und Wohnzimmer zum Tisch ziehen, auf dem schon feinsäuberlich unsere Alubehälter mit dem Essen standen. Ich kickte meine Absatzschuhe in die Ecke und hockte mich auf meinen Stuhl. Ich wartete, bis Jamie aus der Küche kam, eine Flasche Wasser und zwei Gläser in der Hand. Er stellte alles auf dem Tisch ab und setzte sich dann im Schneidersitz auf seinen Stuhl. Mom hasste es, wenn er das machte. Deswegen erlaubte ich es ihm.
Ungeduldig zerrte er den Deckel von seinem Alubehälter und warf den Deckel einfach auf den Tisch. Ich lächelte. Jamie hatte einfach immer Hunger, egal ob er grade gegessen hatte oder nicht.
„Oh! Kuck mal, ich hab Fischstäbchen und gebratene Kartoffeln!“, rief er begeistert. Ich lächelte ihn an und strich ihm über seine lockigen Haare. Wenn er nur wüsste, dass es keine echten Fische waren, die er aß und dass die Kartoffeln künstlich hergestellt worden waren. Ich zog den Deckel von meinem Behälter und war einigermaßen positiv überrascht, als ich darin Pfannkuchen mit einer glibberigen Substanz entdeckte, die wohl Marmelade darstellen sollte. Zumindest war es kein Fleisch.
Neben mir schmatzte Jamie laut vor sich hin und schob sich sein Essen in den Mund, ohne wirklich zu kauen. Als er fertig war, stand er auf und warf seinen Behälter in den Mülleimer. Dann setzte er sich wieder an den Tisch und beobachtete mich wie heute Morgen beim Essen. Als sich noch ein Pfannkuchen in meinem Behälter befand, legte ich meine Gabel hin und schob den Behälter zu Jamie hinüber, der sich mit leuchtenden Augen darauf stürzte. Als er auch damit fertig war seufzte er zufrieden und lächelte selig vor sich hin.
„Spielst du mit mir ein paar Videospiele?“, fragte er plötzlich und lief zu der Medienstation in unserem Wohnzimmer. „Bleibt mir denn was anderes übrig?“, sagte ich und grinste.
„Nein, auf keinen Fall!“, lachte er, also stand ich auf und setzte mich vor dem riesigen Bildschirm neben ihn auf den Boden. Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir damit, mit bunten Autos um die Wette zu fahren oder kleine Figuren durch fiktive Welten laufen zu lassen.
Plötzlich gähnte Jamie und ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war schon fast zehn – höchste Zeit für Jamie, um ins Bett zu gehen.
„Jamie, schau mal auf die Uhr, du musst jetzt ins Bett gehen. Immerhin musst du morgen wieder in den Kinderhort.“, sagte ich und stand auf. Widerwillig folgte er mir in sein Schlafzimmer und ließ sich von mir ins Bett bringen. Ich gab ihm einen Gute-Nacht-Kuss und schloss die Tür hinter mir.
Ich beschloss, selber schon ins Bett zu gehen, weil ich letzte Nacht nicht allzu viel geschlafen hatte. Ich ging ins Bad, wusch mir das Gesicht und warf meine Tageskleidung in den Wäschekorb. Dann löschte ich überall das Licht, tappte zurück in mein Zimmer und warf mich aufs Bett. Eigentlich wollte ich nicht schlafen. Ich hatte Angst davor, den Traum wieder zu haben. Aber mein Großvater hatte mir immer gesagt, man solle sich seinen Ängsten stellen, also schloss ich meine Augen und war bald darauf eingeschlafen.
Es war kalt und der Wind heulte um den Turm. Ich wusste, er war da, aber ich konnte ihn nicht sehen. Irgendetwas an dem Traum war anders als sonst. Ich ging nach rechts, auf die andere Seite der Plattform. Da stand er. Aber er war nicht alleine, jemand war bei ihm. Jemand den ich kannte. Ryan. Sie standen an der Brüstung der Plattform und unterhielten sich. Noch hatten sie mich nicht gesehen. Der schwarzhaarige Junge drehte sich um und musterte mich mit seinen dunkelbraunen Augen mir den silbernen und grünen Sprenkeln. Ein sanftes, wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen. Wer war er? Aber bevor ich ihn fragen konnte, wer er war und wieso Ryan hier war, rammte mich jemand an der Schulter und ich stürzte wieder einmal über die Brüstung in den sicheren Tod hinab. Doch diesmal waren seine Augen nicht das letzte was ich sah. Ich sah überhaupt nichts mehr. Ich hörte nur, wie er laut meinen Namen rief, als ich über die Brüstung stürzte.
Schweißgebadet und schwer atmend wachte ich auf. Ich war verwirrt. Was hatte Ryan in dem Traum zu suchen gehabt? Wusste er, wer der Junge war? Immerhin hatte er in meinem Traum mit ihm gesprochen, vielleicht bedeutete das, dass er ihn im wirklichen Leben auch kannte? Ich würde ihn heute in der Schule fragen, ob er einen schwarzhaarigen Jungen kannte, der braune Augen mit silbernen und grünen Sprenkeln hatte. Und wer hatte mich über die Brüstung gestoßen? Ich hatte immer geglaubt, es wäre dieser Junge gewesen, aber offensichtlich war es jemand anderes gewesen. Es frage sich nur, wer.
Ich winkte Ryan zu, als er in den Transporter stieg, der ihn nach Hause bringen würde. Ich musste etwa eine Minute warten, bis der Transporter kam, der mich zu der Haltestelle vor dem Haus meiner Eltern bringen würde. Als ich einstieg, bemerkte ich, wie viele Menschen sich in dem Transporter befanden. Offensichtlich hatten sie heute alle schon Feierabend. Ich fand einen freien Platz, setzte mich und starrte aus dem Fenster. In Gedanken war ich immer noch bei dem, was Ryan mir erzählt hatte.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich beinahe meine Haltestelle verpasst hätte. Im letzten Moment schlüpfte ich noch durch die offene Tür und lief die Treppe zu unserem Haus hoch. Jamie wartete schon auf mich.
„Mom und Dad sind heute nicht da, sie haben gesagt, du musst auf mich aufpassen!“, rief er und grinste.
Das war mal wieder typisch für unsere Eltern. Jamie und ich waren ihnen völlig egal. Wir waren ihnen nur ein Klotz am Bein, sie hatten uns nur dafür bekommen, um ihren Teil zum Fortbestand der Gemeinschaft beizutragen. Sie kümmerten sich nicht um uns, ließen uns ständig alleine und wenn sie dann einmal zu Hause waren, ignorierten sie uns. Aber wir waren es nicht anders gewohnt und kamen ganz gut zurecht.
„Hast du schon was gegessen?“, fragte ich ihn.
„Nö, ich wollte auf dich warten. Das macht mehr Spaß!“, rief er und grinste, sodass ich seine vielen Zahnlücken sehen konnte. Ich ließ mich von ihm ins Ess- und Wohnzimmer zum Tisch ziehen, auf dem schon feinsäuberlich unsere Alubehälter mit dem Essen standen. Ich kickte meine Absatzschuhe in die Ecke und hockte mich auf meinen Stuhl. Ich wartete, bis Jamie aus der Küche kam, eine Flasche Wasser und zwei Gläser in der Hand. Er stellte alles auf dem Tisch ab und setzte sich dann im Schneidersitz auf seinen Stuhl. Mom hasste es, wenn er das machte. Deswegen erlaubte ich es ihm.
Ungeduldig zerrte er den Deckel von seinem Alubehälter und warf den Deckel einfach auf den Tisch. Ich lächelte. Jamie hatte einfach immer Hunger, egal ob er grade gegessen hatte oder nicht.
„Oh! Kuck mal, ich hab Fischstäbchen und gebratene Kartoffeln!“, rief er begeistert. Ich lächelte ihn an und strich ihm über seine lockigen Haare. Wenn er nur wüsste, dass es keine echten Fische waren, die er aß und dass die Kartoffeln künstlich hergestellt worden waren. Ich zog den Deckel von meinem Behälter und war einigermaßen positiv überrascht, als ich darin Pfannkuchen mit einer glibberigen Substanz entdeckte, die wohl Marmelade darstellen sollte. Zumindest war es kein Fleisch.
Neben mir schmatzte Jamie laut vor sich hin und schob sich sein Essen in den Mund, ohne wirklich zu kauen. Als er fertig war, stand er auf und warf seinen Behälter in den Mülleimer. Dann setzte er sich wieder an den Tisch und beobachtete mich wie heute Morgen beim Essen. Als sich noch ein Pfannkuchen in meinem Behälter befand, legte ich meine Gabel hin und schob den Behälter zu Jamie hinüber, der sich mit leuchtenden Augen darauf stürzte. Als er auch damit fertig war seufzte er zufrieden und lächelte selig vor sich hin.
„Spielst du mit mir ein paar Videospiele?“, fragte er plötzlich und lief zu der Medienstation in unserem Wohnzimmer. „Bleibt mir denn was anderes übrig?“, sagte ich und grinste.
„Nein, auf keinen Fall!“, lachte er, also stand ich auf und setzte mich vor dem riesigen Bildschirm neben ihn auf den Boden. Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir damit, mit bunten Autos um die Wette zu fahren oder kleine Figuren durch fiktive Welten laufen zu lassen.
Plötzlich gähnte Jamie und ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war schon fast zehn – höchste Zeit für Jamie, um ins Bett zu gehen.
„Jamie, schau mal auf die Uhr, du musst jetzt ins Bett gehen. Immerhin musst du morgen wieder in den Kinderhort.“, sagte ich und stand auf. Widerwillig folgte er mir in sein Schlafzimmer und ließ sich von mir ins Bett bringen. Ich gab ihm einen Gute-Nacht-Kuss und schloss die Tür hinter mir.
Ich beschloss, selber schon ins Bett zu gehen, weil ich letzte Nacht nicht allzu viel geschlafen hatte. Ich ging ins Bad, wusch mir das Gesicht und warf meine Tageskleidung in den Wäschekorb. Dann löschte ich überall das Licht, tappte zurück in mein Zimmer und warf mich aufs Bett. Eigentlich wollte ich nicht schlafen. Ich hatte Angst davor, den Traum wieder zu haben. Aber mein Großvater hatte mir immer gesagt, man solle sich seinen Ängsten stellen, also schloss ich meine Augen und war bald darauf eingeschlafen.
Es war kalt und der Wind heulte um den Turm. Ich wusste, er war da, aber ich konnte ihn nicht sehen. Irgendetwas an dem Traum war anders als sonst. Ich ging nach rechts, auf die andere Seite der Plattform. Da stand er. Aber er war nicht alleine, jemand war bei ihm. Jemand den ich kannte. Ryan. Sie standen an der Brüstung der Plattform und unterhielten sich. Noch hatten sie mich nicht gesehen. Der schwarzhaarige Junge drehte sich um und musterte mich mit seinen dunkelbraunen Augen mir den silbernen und grünen Sprenkeln. Ein sanftes, wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen. Wer war er? Aber bevor ich ihn fragen konnte, wer er war und wieso Ryan hier war, rammte mich jemand an der Schulter und ich stürzte wieder einmal über die Brüstung in den sicheren Tod hinab. Doch diesmal waren seine Augen nicht das letzte was ich sah. Ich sah überhaupt nichts mehr. Ich hörte nur, wie er laut meinen Namen rief, als ich über die Brüstung stürzte.
Schweißgebadet und schwer atmend wachte ich auf. Ich war verwirrt. Was hatte Ryan in dem Traum zu suchen gehabt? Wusste er, wer der Junge war? Immerhin hatte er in meinem Traum mit ihm gesprochen, vielleicht bedeutete das, dass er ihn im wirklichen Leben auch kannte? Ich würde ihn heute in der Schule fragen, ob er einen schwarzhaarigen Jungen kannte, der braune Augen mit silbernen und grünen Sprenkeln hatte. Und wer hatte mich über die Brüstung gestoßen? Ich hatte immer geglaubt, es wäre dieser Junge gewesen, aber offensichtlich war es jemand anderes gewesen. Es frage sich nur, wer.
Thema: Writing
Nachdem ich etwa eine halbe Stunde ständig die Bahnen auf und ab geschwommen war, bemerkte ich, dass die Haut an meinen Händen schon total aufgeweicht war und beschloss, für heute Schluss zu machen. Ich stieg aus dem Becken und wickelte mich in mein Handtuch. Ich beobachtete Ryan, wie er aus dem Wasser stieg und seine halblangen braunen Haare schüttelte, dass das Wasser nur so spritzte.
„Können wir gehen?“, fragte er und ich nickte. „Ich warte bei den Umkleiden auf dich.“, fügte er hinzu und verschwand in Richtung Herrenumkleide. Zurück in meiner Kabine schlüpfte ich aus dem nassen Badeanzug, der meinen Körper wie eine zweite Haut umschloss und trocknete mich ab. Dann zog ich mich an und hielt meine nassen Haare unter den Haartrockner. Nach etwa fünf Minuten wurde es mir zu blöd und ich stellte das Ding ab, obwohl meine Haare noch feucht waren und schlüpfte widerwillig in meine Absatzschuhe. Ich schnappte mir meine Sporttasche und lief nach draußen, wo Ryan schon auf mich wartete. Er wirkte nervös, vermutlich wegen dem, was er mir erzählen wollte. Ohne etwas zu sagen, nahm er mich an der Hand und führte mich aus der Schwimmhalle, schaute sich nach links und rechts um und zog mich dann an der Mauer der Schwimmhalle entlang, durch die Plastikbüsche hindurch, bis wir einen kleinen Flecken Gras erreichten, der von einer Plastikhecke umgeben war.
„Hier findet uns niemand.“, flüsterte er, setzte sich auf den Boden und bedeutete mir, es ihm gleich u tun. Ich wartete darauf, dass er anfing, mir das zu erzählen, was er erzählen wollte, aber er starrte nur nachdenklich das Gras an.
Nach einer Weile stupste ich ihn an und fragte: „Was wolltest du mir jetzt eigentlich so wichtiges erzählen?“
Er zuckte zusammen und sah mich aus seinen großen, braunen Augen ängstlich an. „Versprichst du mir, es niemandem zu sagen? Egal was passiert?“, flüsterte er. „Natürlich. Egal was passiert, ich werde es niemandem sagen, versprochen.“, flüsterte ich zurück. Er atmete tief durch.
„Ich…ich weiß nicht wie ich dir das erklären soll. Ich weiß nicht, ob…ob du es verstehen wirst. Aber ich muss es jemandem sagen.“, stammelte er. „Ich hab…ich hab wahnsinnige Angst vor den Prüfungen. Und davor, mir eine Partnerin zu suchen – was ist, wenn ich niemanden finde und mir jemand zugeteilt wird?.“
Aha. Daher wehte der Wind. Aber das war doch nichts, was man inmitten von Büschen im heimlichen besprechen musste? Jeder hatte in gewisser Weise Angst davor, keinen Partner zu finden, bis er 18 war.
„Du weißt doch, dass viele Leute in unserem Alter schon einmal in jemanden verliebt waren, oder?“, fragte er.
„Ja, natürlich weiß ich das…immerhin hat Rowan mir letztes Jahr ständig irgendetwas von diesem Typen vorgeschwärmt…“, antwortete ich.
„Bei mir ist das anders. Ich war…ich war noch nie in ein Mädchen verliebt, weil…weil ich so nicht für Mädchen empfinde. Ich weiß, das kommt dir jetzt vermutlich seltsam vorkommen, aber ich…ich fühle so für Jungen, wie ich eigentlich für Mädchen fühlen sollte, verstehst du?“, flüsterte er.
In meinem Kopf drehte sich alles. Von so etwas hatte ich schon einmal gehört, in den Erzählungen meines Großvaters. Die Gemeinschaft duldete so etwas nicht. Darauf stand die Höchststrafe.
„Oh Ryan, warum erzählst du mir das? So etwas darfst du nicht sagen! Weißt du denn nicht, dass auf so etwas die Höchststrafe steht? Wenn das jemand rausfindet sperren sie dich ein, noch mehr als jetzt schon!“, sagte ich. Ryan sah verletzt aus.
„Ich dachte eigentlich, du verstehst mich.“, flüsterte er und ich sah, wie Tränen in seine Augen stiegen.
„Ich verstehe dich doch auch. Sehr gut sogar. Und ich verstehe, dass du das jemandem sagen wolltest, aber wenn das jemand herausfindet, dann schaffen sie dich ins Gefängnis und…ich will dich als Freund nicht verlieren. Deswegen darf nie jemand erfahren, was du mir gerade gesagt hast, versprich mir das!“, erwiderte ich und umarmte ihn.
„Ich wusste, du würdest mich verstehen und mich nicht dafür verurteilen, wer ich bin…“, murmelte er. „Wie könnte ich dich dafür verurteilen, wer du bist? Du bist mein bester Freund, Ryan. Ich würde nie etwas tun, das dich verletzen könnte. Deswegen ist dein Geheimnis bei mir auch sicher.“, flüsterte ich.
„Danke…“, sagte er und löste sich aus der Umarmung. „Ich denke, wir sollten nach Hause fahren, bevor jemand bemerkt, dass wir hier sind.“
Ich nickte und hob während dem Aufstehen meine Tasche auf. Während wir zurück zur Haltestelle gingen, sprach keiner ein Wort, aber meine Gedanken rasten.
Ryan war…ja, wie nannte man das eigentlich? – Ich kannte kein Wort dafür. Er war etwas, das die Gemeinschaft vor langer Zeit ausgelöscht und verboten hatte. Etwas, das von der Gemeinschaft als unnormal angesehen wurde. Er war jemand, der für das, was er war, eingesperrt werden konnte, wenn er Glück hatte. Wenn nicht, würde die Gemeinschaft ihn töten. Deswegen durfte nie jemand erfahren, wer er wirklich war.
„Können wir gehen?“, fragte er und ich nickte. „Ich warte bei den Umkleiden auf dich.“, fügte er hinzu und verschwand in Richtung Herrenumkleide. Zurück in meiner Kabine schlüpfte ich aus dem nassen Badeanzug, der meinen Körper wie eine zweite Haut umschloss und trocknete mich ab. Dann zog ich mich an und hielt meine nassen Haare unter den Haartrockner. Nach etwa fünf Minuten wurde es mir zu blöd und ich stellte das Ding ab, obwohl meine Haare noch feucht waren und schlüpfte widerwillig in meine Absatzschuhe. Ich schnappte mir meine Sporttasche und lief nach draußen, wo Ryan schon auf mich wartete. Er wirkte nervös, vermutlich wegen dem, was er mir erzählen wollte. Ohne etwas zu sagen, nahm er mich an der Hand und führte mich aus der Schwimmhalle, schaute sich nach links und rechts um und zog mich dann an der Mauer der Schwimmhalle entlang, durch die Plastikbüsche hindurch, bis wir einen kleinen Flecken Gras erreichten, der von einer Plastikhecke umgeben war.
„Hier findet uns niemand.“, flüsterte er, setzte sich auf den Boden und bedeutete mir, es ihm gleich u tun. Ich wartete darauf, dass er anfing, mir das zu erzählen, was er erzählen wollte, aber er starrte nur nachdenklich das Gras an.
Nach einer Weile stupste ich ihn an und fragte: „Was wolltest du mir jetzt eigentlich so wichtiges erzählen?“
Er zuckte zusammen und sah mich aus seinen großen, braunen Augen ängstlich an. „Versprichst du mir, es niemandem zu sagen? Egal was passiert?“, flüsterte er. „Natürlich. Egal was passiert, ich werde es niemandem sagen, versprochen.“, flüsterte ich zurück. Er atmete tief durch.
„Ich…ich weiß nicht wie ich dir das erklären soll. Ich weiß nicht, ob…ob du es verstehen wirst. Aber ich muss es jemandem sagen.“, stammelte er. „Ich hab…ich hab wahnsinnige Angst vor den Prüfungen. Und davor, mir eine Partnerin zu suchen – was ist, wenn ich niemanden finde und mir jemand zugeteilt wird?.“
Aha. Daher wehte der Wind. Aber das war doch nichts, was man inmitten von Büschen im heimlichen besprechen musste? Jeder hatte in gewisser Weise Angst davor, keinen Partner zu finden, bis er 18 war.
„Du weißt doch, dass viele Leute in unserem Alter schon einmal in jemanden verliebt waren, oder?“, fragte er.
„Ja, natürlich weiß ich das…immerhin hat Rowan mir letztes Jahr ständig irgendetwas von diesem Typen vorgeschwärmt…“, antwortete ich.
„Bei mir ist das anders. Ich war…ich war noch nie in ein Mädchen verliebt, weil…weil ich so nicht für Mädchen empfinde. Ich weiß, das kommt dir jetzt vermutlich seltsam vorkommen, aber ich…ich fühle so für Jungen, wie ich eigentlich für Mädchen fühlen sollte, verstehst du?“, flüsterte er.
In meinem Kopf drehte sich alles. Von so etwas hatte ich schon einmal gehört, in den Erzählungen meines Großvaters. Die Gemeinschaft duldete so etwas nicht. Darauf stand die Höchststrafe.
„Oh Ryan, warum erzählst du mir das? So etwas darfst du nicht sagen! Weißt du denn nicht, dass auf so etwas die Höchststrafe steht? Wenn das jemand rausfindet sperren sie dich ein, noch mehr als jetzt schon!“, sagte ich. Ryan sah verletzt aus.
„Ich dachte eigentlich, du verstehst mich.“, flüsterte er und ich sah, wie Tränen in seine Augen stiegen.
„Ich verstehe dich doch auch. Sehr gut sogar. Und ich verstehe, dass du das jemandem sagen wolltest, aber wenn das jemand herausfindet, dann schaffen sie dich ins Gefängnis und…ich will dich als Freund nicht verlieren. Deswegen darf nie jemand erfahren, was du mir gerade gesagt hast, versprich mir das!“, erwiderte ich und umarmte ihn.
„Ich wusste, du würdest mich verstehen und mich nicht dafür verurteilen, wer ich bin…“, murmelte er. „Wie könnte ich dich dafür verurteilen, wer du bist? Du bist mein bester Freund, Ryan. Ich würde nie etwas tun, das dich verletzen könnte. Deswegen ist dein Geheimnis bei mir auch sicher.“, flüsterte ich.
„Danke…“, sagte er und löste sich aus der Umarmung. „Ich denke, wir sollten nach Hause fahren, bevor jemand bemerkt, dass wir hier sind.“
Ich nickte und hob während dem Aufstehen meine Tasche auf. Während wir zurück zur Haltestelle gingen, sprach keiner ein Wort, aber meine Gedanken rasten.
Ryan war…ja, wie nannte man das eigentlich? – Ich kannte kein Wort dafür. Er war etwas, das die Gemeinschaft vor langer Zeit ausgelöscht und verboten hatte. Etwas, das von der Gemeinschaft als unnormal angesehen wurde. Er war jemand, der für das, was er war, eingesperrt werden konnte, wenn er Glück hatte. Wenn nicht, würde die Gemeinschaft ihn töten. Deswegen durfte nie jemand erfahren, wer er wirklich war.
Thema: Writing
Als das Ende des Unterrichts näher rückte, wurde ich immer hibbeliger. Was wollte Ryan mit mir besprechen? Es klingelte, ich sprang auf und lief nach draußen zu der Haltestelle, bei der ich mit den anderen verabredet war. Rowan wartete schon. Sie lächelte als sie mich kommen sah und winkte mir zu. „Und, wie war deine letzte Unterrichtseinheit heute?“, fragte sie grinsend. „Nichts Neues.“, antwortete ich und grinste ebenfalls.
„Was grinst ihr denn so?“, wollte Adam wissen, der sich neben mich stellte und mir freundschaftlich einen Arm um die Schulter legte. Bevor ich antworten konnte, stieß Ryan zu uns. Er wirkte nervös, aber weder Adam noch Rowan bemerkten etwas davon. Zumindest hoffte ich das.
Als wir in den Transportzug stiegen, der uns zur Schwimmhalle bringen würde, hatten wir Glück und fanden vier Sitzplätze in einem Abteil. Ich setze mich ans Fenster und hoffte, dass Ryan neben mir sitzen würde, aber da ließ Adam sich schon auf den Platz neben meinem fallen.
„Na, Elinor? Mal sehen, wer von uns heute beim Schwimmen schneller ist, hm?“, meinte er. Das war typisch Adam. Immer musste er sich mit anderen messen, immer wollte er besser oder schneller sein. Das war bei allen Dingen so. Ich war mir auch sicher, dass er von uns vieren bei den Prüfungen die besten Ergebnisse erzielen würde, somit auch die beste Arbeit bekommen würde.
„Du weißt, dass du mich beim Schwimmen noch nie geschlagen hast, oder?“, ärgerte ich ihn. Ich wusste, dass es ihm nicht in den Kram passte, dass ich beim Schwimmen schon immer viel schneller als er gewesen war. Er ersparte sich eine Antwort, sondern grummelte nur leise vor sich hin und wandte sich dann Rowan zu. Ich warf einen Blick zu Ryan, aber der sah nur geistesabwesend aus dem Fenster. Ich beschloss, es ihm gleich zu tun und sah die Plastikbäume und die weißen Kastenhäuser an mir vorbeiziehen.
Es dauerte nicht lange, bis der Transportzug vor der Schwimmhalle anhielt und wir aussteigen konnten. Wir betraten das Gebäude und der Geruch von Chlor schlug mir entgegen. Rowan und ich machten uns auf den Weg in die Damenumkleiden, während Adam und Ryan in die entgegengesetzte Richtung liefen.
Als ich die Kabine betrat, schlüpfte ich als erstes aus den unbequemen Absatzschuhen von denen mir immer die Füße schrecklich schmerzten, wenn ich von der Schule nach Hause kam. Ich zog mich aus, faltete meine Sachen ordentlich zusammen und schlüpfte in den Badeanzug aus meiner Sporttasche, den ich immer dabei hatte. Ich ließ die Sachen einfach in der Umkleide liegen, sperrte sie von außen ab und band mir das Schlüsselband ums Handgelenk.
Ohne auf Rowan zu warten lief ich in die Schwimmhalle hinein und traf auf Adam und Ryan, die gerade aus ihrer Umkleide kamen.
„Bereit für den Kampf?“, fragte Adam.
„Immer doch!“, erwiderte ich und bemerkte den spöttischen Blick von Ryan, mit dem er Adam musterte.
„Dass du immer und überall besser sein musst als jeder andere.“, sagte er und grinste. „Tja, mein lieber Ryan, vielleicht würde ein bisschen Ehrgeiz dir auch nicht schaden? Vielleicht wäre dann auch deine Kondition besser?“, gab Adam zurück, zwinkerte mir zu und legte dann Ryan einen Arm um die Schulter und redete auf ihn ein, während er ihn zum Becken zog.
Ich atmete tief durch und folgte den beiden. Adam und ich stellten uns auf die Startblöcke und begaben uns in Position. Ryan begann zu zählen, zwei Stoppuhren in der Hand. 3…2…1…kaum war ich ins Wasser gesprungen, fühlte ich mich unendlich frei. Ich spürte das kühle Wasser, das mich umgab, fühlte meine Arme und Beine mit Schwung hindurchgleiten. Als mein Kopf die Oberfläche durchbrach, öffnete ich die Augen und legte meine ganze Kraft in die nächsten Züge.
Am Ende der Bahn vollführte ich eine gekonnte Drehung, stieß mich mit den Füßen fest am Beckenrand ab um mehr Schwung zu haben und preschte die Bahn zurück durchs Wasser.
Als ich wieder beim Startblock angekommen war, tauchte ich schwer atmend wieder auf.
„Wow! Was war denn das?!“, rief Ryan und starrte mich perplex an. „Was meinst du?“, fragte ich. Als Antwort hielt er mir nur eine Stoppuhr unter die Nase. 00:51:91 stand da.
„Du hast deine eigene Bestzeit geschlagen!“ grinste Ryan und klatschte mich ab. Mittlerweile war auch Adam wieder an den Beckenrand geschwommen und funkelte mich böse an.
„Kannst du mir mal sagen wie du das machst? Ich hab doch eindeutig die bessere Technik als du!“, maulte er. „Mensch Adam, sie ist halt einfach besser als du. Sieh das doch endlich ein. Du kannst halt nicht überall der Beste sein!“, verteidigte mich Rowan, bevor ich selbst etwas sagen konnte. „Ach Rowan, halt doch die Klappe und misch dich nicht überall ein! Wenn Elinor dazu was zu sagen hätte, kann sie das doch selber machen. Also halt endlich den Mund und lass mich in Ruhe!“, fauchte er sie an, sprang aus dem Becken und lief davon. Rowan starrte ihm mit offenem Mund hinterher. Normalerweise waren sie und Adam unzertrennlich, hatten immer die gleiche Meinung und stritten nie über irgendwas.
„Ich glaube, ich mach für heute lieber Schluss und fahr nach Hause. Aber ihr könnt ja gerne noch bleiben und noch ein bisschen trainieren. Ich wär jetzt ehrlich gesagt gerne ein bisschen allein.“, flüsterte sie, immer noch etwas geschockt.
Wir verabschiedeten uns von ihr und sahen ihr hinterher, als sie in Richtung Umkleide lief. Ich war mir sicher, dass sie weinte.
„Was war denn heute mit dem los? Er ist ja sonst nicht so unausstehlich…“, sagte Ryan. „Ich hab keine Ahnung, was in ihn gefahren ist. Schwimmen wir noch ein paar Bahnen?“, erwiderte ich und deutete auf das Becken.
„Klar, warum nicht.“, meinte er und lächelte.
„Was grinst ihr denn so?“, wollte Adam wissen, der sich neben mich stellte und mir freundschaftlich einen Arm um die Schulter legte. Bevor ich antworten konnte, stieß Ryan zu uns. Er wirkte nervös, aber weder Adam noch Rowan bemerkten etwas davon. Zumindest hoffte ich das.
Als wir in den Transportzug stiegen, der uns zur Schwimmhalle bringen würde, hatten wir Glück und fanden vier Sitzplätze in einem Abteil. Ich setze mich ans Fenster und hoffte, dass Ryan neben mir sitzen würde, aber da ließ Adam sich schon auf den Platz neben meinem fallen.
„Na, Elinor? Mal sehen, wer von uns heute beim Schwimmen schneller ist, hm?“, meinte er. Das war typisch Adam. Immer musste er sich mit anderen messen, immer wollte er besser oder schneller sein. Das war bei allen Dingen so. Ich war mir auch sicher, dass er von uns vieren bei den Prüfungen die besten Ergebnisse erzielen würde, somit auch die beste Arbeit bekommen würde.
„Du weißt, dass du mich beim Schwimmen noch nie geschlagen hast, oder?“, ärgerte ich ihn. Ich wusste, dass es ihm nicht in den Kram passte, dass ich beim Schwimmen schon immer viel schneller als er gewesen war. Er ersparte sich eine Antwort, sondern grummelte nur leise vor sich hin und wandte sich dann Rowan zu. Ich warf einen Blick zu Ryan, aber der sah nur geistesabwesend aus dem Fenster. Ich beschloss, es ihm gleich zu tun und sah die Plastikbäume und die weißen Kastenhäuser an mir vorbeiziehen.
Es dauerte nicht lange, bis der Transportzug vor der Schwimmhalle anhielt und wir aussteigen konnten. Wir betraten das Gebäude und der Geruch von Chlor schlug mir entgegen. Rowan und ich machten uns auf den Weg in die Damenumkleiden, während Adam und Ryan in die entgegengesetzte Richtung liefen.
Als ich die Kabine betrat, schlüpfte ich als erstes aus den unbequemen Absatzschuhen von denen mir immer die Füße schrecklich schmerzten, wenn ich von der Schule nach Hause kam. Ich zog mich aus, faltete meine Sachen ordentlich zusammen und schlüpfte in den Badeanzug aus meiner Sporttasche, den ich immer dabei hatte. Ich ließ die Sachen einfach in der Umkleide liegen, sperrte sie von außen ab und band mir das Schlüsselband ums Handgelenk.
Ohne auf Rowan zu warten lief ich in die Schwimmhalle hinein und traf auf Adam und Ryan, die gerade aus ihrer Umkleide kamen.
„Bereit für den Kampf?“, fragte Adam.
„Immer doch!“, erwiderte ich und bemerkte den spöttischen Blick von Ryan, mit dem er Adam musterte.
„Dass du immer und überall besser sein musst als jeder andere.“, sagte er und grinste. „Tja, mein lieber Ryan, vielleicht würde ein bisschen Ehrgeiz dir auch nicht schaden? Vielleicht wäre dann auch deine Kondition besser?“, gab Adam zurück, zwinkerte mir zu und legte dann Ryan einen Arm um die Schulter und redete auf ihn ein, während er ihn zum Becken zog.
Ich atmete tief durch und folgte den beiden. Adam und ich stellten uns auf die Startblöcke und begaben uns in Position. Ryan begann zu zählen, zwei Stoppuhren in der Hand. 3…2…1…kaum war ich ins Wasser gesprungen, fühlte ich mich unendlich frei. Ich spürte das kühle Wasser, das mich umgab, fühlte meine Arme und Beine mit Schwung hindurchgleiten. Als mein Kopf die Oberfläche durchbrach, öffnete ich die Augen und legte meine ganze Kraft in die nächsten Züge.
Am Ende der Bahn vollführte ich eine gekonnte Drehung, stieß mich mit den Füßen fest am Beckenrand ab um mehr Schwung zu haben und preschte die Bahn zurück durchs Wasser.
Als ich wieder beim Startblock angekommen war, tauchte ich schwer atmend wieder auf.
„Wow! Was war denn das?!“, rief Ryan und starrte mich perplex an. „Was meinst du?“, fragte ich. Als Antwort hielt er mir nur eine Stoppuhr unter die Nase. 00:51:91 stand da.
„Du hast deine eigene Bestzeit geschlagen!“ grinste Ryan und klatschte mich ab. Mittlerweile war auch Adam wieder an den Beckenrand geschwommen und funkelte mich böse an.
„Kannst du mir mal sagen wie du das machst? Ich hab doch eindeutig die bessere Technik als du!“, maulte er. „Mensch Adam, sie ist halt einfach besser als du. Sieh das doch endlich ein. Du kannst halt nicht überall der Beste sein!“, verteidigte mich Rowan, bevor ich selbst etwas sagen konnte. „Ach Rowan, halt doch die Klappe und misch dich nicht überall ein! Wenn Elinor dazu was zu sagen hätte, kann sie das doch selber machen. Also halt endlich den Mund und lass mich in Ruhe!“, fauchte er sie an, sprang aus dem Becken und lief davon. Rowan starrte ihm mit offenem Mund hinterher. Normalerweise waren sie und Adam unzertrennlich, hatten immer die gleiche Meinung und stritten nie über irgendwas.
„Ich glaube, ich mach für heute lieber Schluss und fahr nach Hause. Aber ihr könnt ja gerne noch bleiben und noch ein bisschen trainieren. Ich wär jetzt ehrlich gesagt gerne ein bisschen allein.“, flüsterte sie, immer noch etwas geschockt.
Wir verabschiedeten uns von ihr und sahen ihr hinterher, als sie in Richtung Umkleide lief. Ich war mir sicher, dass sie weinte.
„Was war denn heute mit dem los? Er ist ja sonst nicht so unausstehlich…“, sagte Ryan. „Ich hab keine Ahnung, was in ihn gefahren ist. Schwimmen wir noch ein paar Bahnen?“, erwiderte ich und deutete auf das Becken.
„Klar, warum nicht.“, meinte er und lächelte.
Thema: Writing
Alsooo....hier kommt das erste Kapitel von meinem Buch...:D Ich weiss, es ist seeehr lang, aber ihr müsst ja nicht alles lesen, wenn es euch nicht gefällt :D Ich bin mir jetzt auch nicht so sicher, ob das ganze so gut ist, deswegen dürft ihr mir gerne sagen, was ihr gut findet und was nicht :)
Achja - das, was da drüber auf Englisch steht ist ein (etwas umgewandeltes) Zitat aus einem OneRepublic Song...ich fand, das passt irgendwie zu meinem Gesamt-Konzept von dem Buch (auch wenn der hier vielleicht noch nicht so ganz rauskommt :D) und irgendwie fasel ich schon wieder viel zu viel rum, deswegen, lest selber:
I DON’T THINK THE WORLD IS SOLID, WE’RE JUST DOING WHAT WE’RE TOLD.
Als ich aufwachte, war ich schweißgebadet. Schon wieder hatte ich diesen Traum gehabt. Wieder war ich im Traum auf diesem Turm gestanden. Wieder hatte er mich in den sicheren Tod gestoßen. Nur dass ich nicht wusste, wer er war. Aus meinen Träumen wusste ich, wie er aussah, aber ich kannte ihn nicht. Ein Gesicht wie seines hätte ich mir sicherlich gemerkt. Hohe, markante Wangenknochen, blasse, makellose Haut, das Gesicht umrahmt von halblangen, schwarzen Haaren. Und wenn ich mir das Gesicht nicht gemerkt hätte, dann bestimmt die Augen. Sie waren von einem tiefen dunkelbraun, mit silbernen und jadegrünen Sprenkeln darin. Jedes Mal, wenn ich diesen Traum hatte, waren sie das letzte, das ich sah, während ich wie in Zeitlupe rückwärts von der Plattform fiel. Das schlimmste an dem Traum war aber nicht, dass ich starb. Sondern der Ausdruck in seinen Augen. Darin lag tiefe Verzweiflung, gemischt mit Liebe, Angst und Enttäuschung.
Ich seufzte und warf einen Blick auf die Uhr. Es war 3.15 Uhr. Ich wollte aufstehen, mir etwas zu trinken holen und dann vielleicht weiterschlafen, aber ich wusste, dass es von der Gemeinschaft registriert werden würde. Man würde merken, dass etwas nicht in Ordnung war. Wenn sie das nicht jetzt schon taten. Sie überwachten alles. Jedes Wort, jeden Schritt, jeden Atemzug, den du machst, registrieren sie und werten ihn aus. Sie sagen, das sei zu unserer Sicherheit. Um uns vor Krankheiten, Kriegen und sozialen Ungleichheiten zu bewahren. Und die Menschen akzeptierten es. Sie waren es nicht anders gewohnt und wollten es auch gar nicht anders. Immerhin fehlte es ihnen an nichts. Sie waren nicht krank und hatten genug zu essen. Dass sie bei diesem System aber so gut wie keine Selbstbestimmung mehr hatten, bemerkten sie nicht. Für sie wurde alles geregelt. Der Tagesablauf, wo sie lebten, was sie für Kleidung trugen, mit wem sie verheiratet waren und wie viele Kinder sie bekamen, sogar welches Geschlecht ihr Kind hatte. All das wurde für die Menschen von der Gemeinschaft bestimmt. Niemand lehnte sich dagegen auf. Alle lebten friedlich zusammen, in drei Klassen geteilt in fünf verschiedenen Verwaltungsgebieten. Sie waren damit zufrieden, wie Ware in drei Klassen eingeteilt zu werden – die Superior-Class, die Average-Class und die Phantom-Class.
Ich gehörte der Superior-Class an, der besten der drei Klassen. Irgendwie logisch, wenn man die Tatsache in Betracht zog, dass mein Vater so etwas wie der Sicherheitschef der Gemeinschaft war. Die Average-Class war der Durchschnitt, nicht gut, nicht schlecht. Und wenn man der Phantom-Class angehörte, war man entweder hineingeboren oder man hatte es selbst verschuldet, indem man ein Verbrechen begangen hatte oder sich aufgelehnt hatte. Mir war von klein auf beigebracht worden, dass die Menschen der Phantom-Class Menschen zweiter Klasse waren. Man hatte mir eingetrichtert, sie zu ignorieren, so, wie es alle taten. Sie seien böse, ungebildet und zurückgeblieben. So hatte man es mir in der Schule beigebracht. Und ich glaubte ihnen. Ich wusste es ja nicht besser.
Ich hatte noch nie jemanden aus der Phantom-Class auch nur aus der Nähe gesehen. Sie lebten in gesonderten Gebieten, den sogenannten Phantom-Towns. Sie durften nur von dort weg, um zu arbeiten. Sie bekamen nur die niederen Arbeiten. In der Fabrik am Fließband, bei der Müllentsorgung oder in den Wäschereien. Mich hingegen erwartete nach dem Abschluss meiner Schulzeit eine Arbeit, die in der Gemeinschaft hoch angesehen war. In der Verwaltung, bei der Paarungsbehörde, bei der Entwicklung oder eine andere hohe Stellung. Wo genau, würden die Tests zeigen, die in nicht allzu ferner Zukunft mit mir gemacht werden würden, um herauszufinden, für was ich am besten geeignet wäre. Und um herauszufinden, welcher mein optimaler Partner wäre. Dieser Gedanke bereitete mir schon seit Monaten ein flaues Gefühl im Magen. In einem Monat würde ich siebzehn werden. Dann würde man mir meine endgültige Arbeitsstelle mitteilen und mich mit meinem zukünftigen Partner bekannt machen. Mit achtzehn würde ich verheiratet werden und dann würde von mir erwartet werden, die mir bestimme Anzahl Kinder zu bekommen. Um den Fortbestand der Gemeinschaft zu sichern und die Superior-Class mächtig zu halten. Ich wollte nichts von alledem. Ich wollte frei sein, eigene Entscheidungen treffen, mir selbst aussuchen, wen ich liebte. Aber es war verboten so zu denken. Ich war mir nicht sicher, ob die Gemeinschaft unsere Gedanken überwachen ließ. Die Mittel dazu hatte sie auf jeden Fall. Aber wenn sie es täte, wäre ich jetzt nicht hier. Dann hätte man mich schon längst aus dem Weg geräumt oder in die Phantom-Class degradiert. Wieder warf ich einen Blick auf meinen Wecker, der mir in großen, roten Ziffern anzeigte, dass erst drei Minuten vergangen waren. Vielleicht sollte ich einfach versuchen, wieder zu schlafen. Gerade in dem Moment, als ich die Augen schloss, klopfte es leise an meiner Schlafzimmertür. Bevor ich etwas sagen konnte, wurde sie einen kleinen Spalt breit aufgeschoben und ich sah meinen Bruder Jamie im Mondlicht stehen. „Darf ich reinkommen?“, fragte er leise. „Ich kann nicht schlafen…“ Ich seufzte. Das machte er öfter, als mir lieb war. Ich wollte nicht, dass die Gemeinschaft Schlafstörungen oder etwas in der Art bei ihm zu bemerken glaubte und ihm dagegen irgendwelche Mittelchen ins Essen mischte. Vielleicht, wenn er Glück hatte, war er aber auch noch zu klein, um überwacht zu werden.
„Klar, komm her.“, flüsterte ich und zog ihn zu mir ins Bett. Er kroch unter meine Decke und er schmiegte sich eng an mich. „Hast du wieder schlecht geträumt?“, fragte ich ihn. Er machte ‚Mhm‘ und vergrub sein Gesicht in der Bettdecke. Ich strich ihm mit der Hand über den Kopf und schloss meine Augen. Wenig später war ich eingeschlafen, genauso wie mein Bruder neben mir.
„Elinor, komm, steh auf!“, rief meine Mutter. Ich murmelte etwas unverständliches von wegen ‚Lass mich in Ruhe!‘ , drehte mich um und zog mir die Decke wieder über den Kopf. „Los jetzt, mach dass du aus dem Bett kommst, es ist schon halb acht!“, keifte sie weiter. Langsam begann mein Hirn zu schalten. Halb acht…Verdammt! Das hieß, ich hatte nur noch etwa 20 Minuten Zeit, um zu essen und in die Schule zu kommen. Fluchend sprang ich aus dem Bett und rannte über durch den Flur in Richtung Badezimmer. Dort angekommen spritzte ich mir eiskaltes Wasser ins Gesicht und kämmte mir die Haare. Als ich zum Schluss einen Blick in den Spiegel warf, keuchte ich leise auf. Ich war leichenblass und die Ringe unter meinen Augen waren dunkelblau, wodurch das klare Blau meiner Augen noch strahlender wirkte als sonst. Ich seufzte. Das würde Fragen aufwerfen. Ob ich mich krank fühlte oder ob ich schlecht geschlafen hatte. Und ich würde ihnen sagen, dass es mir gut ginge. Im Grunde genommen war das sogar die Wahrheit. Immerhin war ich nicht krank. Ich hatte nur seltsame Träume, aber davon brauchte die Gemeinschaft nichts zu wissen.
Ich lief zurück in mein Zimmer und zerrte einen dunkelblauen Rock und eine weiße Bluse aus meinem Schrank. Jeden Tag das gleiche. Die Gemeinschaft schrieb vor, was wir trugen. Als Mädchen trug man in der Superior-Class trug man in der Schule oder bei der Arbeit einen dunkelblauen Rock und eine weiße Bluse, in der Freizeit anstelle des Rocks eine Hose. In der Average-Class waren der Rock und die Hose grau, in der Phantom-Class schwarz.
Zum Schluss schlüpfte ich in diese grässlichen braunen Absatzschuhe, die die Mädchen der Superior-Class zu tragen hatten und rannte damit, so schnell es eben ging, in die Küche. Dort saß schon mein Bruder am Tisch, vor sich den Behälter mit seinem Frühstück. Ich setzte mich neben ihn und riss den Deckel von meinem eigenen Behälter. Warmer Essensduft strömte mir entgegen. Heute Morgen gab es Rührei, das mochte ich am liebsten. Jamie warf einen neidischen Blick auf mein Frühstück und ich bemerkte, dass sich in seinem Behälter eine bräunliche, schleimige Substanz befand, die er sich lustlos in den Mund schaufelte. Haferschleim. Schon wieder. Jamie bekam den neuerdings ständig, dabei hasste er das Zeug. Offensichtlich glaubte die Gemeinschaft, das würde sein Wachstum fördern. So schnell ich konnte schlang ich mein Essen hinunter, ohne irgendwas zu schmecken. Jamie war mittlerweile fertig und hatte seinen Essens-Behälter in die dafür vorhergesehene Sammelstelle geworfen. Dann setzte er sich wieder neben mich an den Tisch und beobachtete mich beim Essen. Ich warf einen Blick auf die Uhr und bemerkte, dass ich, wenn ich den Schultransport noch erreichen wollte, sofort gehen musste.
„Hier, wenn du willst kannst du das noch essen!“, sagte ich zu Jamie und deutete auf die übrig gebliebene Hälfte von meinem Rührei. „Aber das darf ich doch nicht! Das ist verboten und außerdem ist das doch dein Essen?“, gab er zurück. „Mach ruhig, wenn wir es niemandem sagen merkt es auch keiner. Ich muss jetzt los!“, meinte ich und strich ihm mit der Hand über die lockigen, braunen Haare. Seine waren so anders als meine. Meine waren blond und glatt, aber der Rest meiner Familie hatte dieselben braunen Locken wie Jamie. Im Großen und Ganzen sah ich weder meinem Bruder noch meinen Eltern wirklich ähnlich. Sie alle waren groß und muskulös, wurden schnell braun und hatten alle die gleichen schokobraunen Augen. Ich hingegen war klein und schmächtig, hatte helle, fast durchscheinende Haut und strahlend blaue Augen.
Als ich an der Tür ankam, warf ich einen Blick über meine Schultern und musste grinsen, als ich Jamie sah, wie er gierig das Rührei in sich reinstopfte. Dann trat ich hinaus auf die Straße und musste meine Augen zusammenkneifen. So hell war es schon lange nicht mehr gewesen.
Offensichtlich hatte die Gemeinschaft beschlossen, die Strahler, die uns so etwas wie Sonnenlicht vorgaukeln sollten, heute besonders hell zu stellen.
Die Welt, in der ich lebte, war begrenzt. Die fünf Verwaltungsgebiete der Gemeinschaft befanden sich in einem abgeschlossenen Ökosystem, aus dem niemand hinaus kam. Außerhalb dieses Systems gab es nichts. So hatte man es uns beigebracht. Da draußen war nur die Wildnis, abgeschirmt von meterdicken Mauern. Man hatte uns erklärt, dass es da draußen kein Leben mehr gibt. Nichts. Alles war von einem furchtbaren Krieg zerstört worden, der mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen ausgefochten worden war. Das war 200 Jahre her. Ob es die Wahrheit war, wusste ich nicht. Aber die Menschen hatten fürchterliche Angst vor dem, was da draußen war. Deswegen hatte auch nie jemand versucht, zu flüchten. Zumindest war nichts Derartiges bekannt. Darin war die Gemeinschaft gut: unangenehme Dinge zu verschweigen.
Allerdings war mir einmal zu Ohren gekommen, dass die Gemeinschaft vor langer Zeit Rebellen nach draußen, in die Wildnis, verbannt hatte um sie los zu werden. Ob es stimmte, oder ob es nur eine Schauergeschichte war, um die Menschen von einer Rebellion abzuhalten, wusste ich nicht.
Im Grunde wusste ich nichts, außer dem, was die Gemeinschaft uns allen eintrichterte und das machte mich krank. Ich wollte und ich konnte ihnen nicht alles glauben. Immer hatte ich das Gefühl, dass die Gemeinschaft uns unser ganzes Leben, unsere ganze Existenz nur vorgaukelte. Dass sie uns nur als ihre Schachfiguren benutze und mit allen Mitteln versuchte, uns unter Kontrolle zu halten. Und es funktionierte. Niemand lehnte sich gegen die Regeln der Gemeinschaft auf. Alle fanden es völlig normal, kaum über ihr eigenes Leben bestimmen zu können. Ihnen war es völlig fremd, wichtige Entscheidungen wie Berufs- oder Partnerwahl selbst zu treffen. Sie verließen sich darauf, dass die Gemeinschaft so für sie entschied, wie es am besten für sie war. Und das schon seit Generationen.
Bevor ich noch weiterdenken konnte, hielt der Schultransport genau vor meiner Nase an der Haltestelle. Die Tür öffnete sich, ich stieg ein und blickte mich nach einem Sitzplatz um. Weiter hinten im Abteil entdeckte ich einen freien, neben einem Jungen, der vermutlich auf meine Schule ging. „Darf ich mich setzen?“, fragte ich und deutete auf den Sitz neben ihm. Er blickte kurz von dem Bildschirm seines Tablets auf, nickte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm.
Die Bildschirme waren allgegenwärtig. Niemand schrieb mehr mit der Hand, jeder tippte nur noch auf seinem persönlichen Bildschirm herum wie ein Besessener. Die Menschen waren von der Technik schon total abhängig geworden. Niemand kam mehr ohne eines dieser dünnen, federleichten Tabletts aus. Darauf war das ganze Leben der Menschen gespeichert. Kontaktdaten, Zeitpläne, der Schulstoff. Wenn ich alleine war, benutzte ich mein Tablet nur selten. Natürlich war es ein toller Zeitvertreib, immerhin konnte man darauf mit seinen Freunden kommunizieren oder Spiele spielen, aber ich wollte nicht so abhängig sein wie alle anderen. Ich benutzte es auch nicht, um Tagebuch zu schreiben, obwohl ich das gerne getan hätte, um meine Gedanken zu ordnen. Aber mir schien es zu gefährlich, alle meine Gedanken darin aufzubewahren, weil ich nicht wusste, ob die Gemeinschaft die Geräte und ihre Inhalte überwachen ließ. Manchmal wünschte ich mir, schreiben zu können. Richtig schreiben zu können, mit einem Stift auf echtem Papier. Ich hatte weder das eine noch der andere jemals gesehen, ich wusste nur, dass es vor langer Zeit einmal existiert hatte und von den Menschen täglich benutzt worden war. Papier gab es schon lange nicht mehr. Alles lief nur noch über Bildschirme. Auch Bücher gab es keine mehr, die Gemeinschaft hatte sie alle vernichten lassen.
Mein Großvater hatte mir auch vor einigen Jahren mal von etwas erzählt, das Musik genannt wurde. Die Menschen hatten es selbst gemacht, mit Dingen, die man Instrumente nannte. Aber auch das hatte die Gemeinschaft verboten. Man war der Meinung, die Menschen sollten sich nur auf ihre Aufgaben konzentrieren, arbeiten und dem gesellschaftlichen Standard entsprechen. Alles, das die Menschen davon ablenken könnte, war verboten worden.
In Gedanken versunken sah ich aus dem Fenster. Ich sah die weißen, kastenförmigen Häuser der Superior-Class an mir vorbeiziehen. Hier war alles gleich. Die Wohnhäuser für die Bürger der Gemeinschaft waren von draußen und drinnen genau gleich, damit keine Ungleichheit innerhalb einer Klasse entstand. Die Häuser der Average-Class waren etwas kleiner als die der Superior-Class und hatten auch keine Dachterrasse. Im Gegensatz zu den Hütten der Phantom-Class waren sie aber direkt luxuriös. Die Phantom-Class musste in kleinen, vom Schmutz grauen Hütten leben, die eng zusammengedrängt in den dafür vorgesehenen Wohngebieten leben.
Plötzlich stupste mich der Jungen neben mir an und machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür, die sich langsam öffnete. Wenn er mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, hätte ich nicht mal bemerkt, dass ich schon aussteigen musste. Ich schnappte mir meine Tasche und schlüpfte durch die Tür, raus auf den Bahnsteig. Dort reihte ich mich in die Masse an Schülern ein, die auf den Eingang der Schule zuströmten. Ich stieg die Treppen hoch und lief dann in die Richtung meines Klassenzimmers. Mittlerweile war ich im letzten der vier Schuljahre angelangt. Die Kinder wurden zuerst vier Jahre in einen Kinderhort gesteckt, bevor sie in die Schule kamen. Dort wurde ihnen dann vier Jahre lang die Lehre der Gesellschaft eingetrichtert, was für Gefahren ein Leben ohne die Gesellschaft für uns bedeuten würde und nach welchen Kriterien unsere zukünftige Arbeitsstelle und unser Lebenspartner ausgewählt werden würden.
Nach den vier Jahren war alles so fest in den Gehirnen der Schüler verankert, dass keiner von ihnen jemals auf die Idee kommen würde, eine Rebellion gegen die Gemeinschaft zu beginnen.
Mittlerweile war ich an dem Raum angekommen, in dem sich mein Klassenzimmer befand. Ich ging hinein, warf meine Tasche auf meinen üblichen Sitzplatz und ließ mich auf den weißen, harten Stuhl fallen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es noch etwa 10 Minuten bis zum Unterrichtsbeginn waren.
"Na du?“, hörte ich plötzlich eine vertraute Stimme, dicht neben meinem Ohr. „Kommst du heute Nachmittag mit zum Training?“
Es war die Stimme meiner besten Freundin und Banknachbarin Rowan. Sie ließ sich auf den Stuhl neben mir fallen und warf ihre leuchtend roten Haare über die Schulter zurück. „Ach…ich weiß nicht so Recht…du weißt doch, dass meine Prüfungen bald bevorstehen…“, gab ich zurück. „Genau deswegen sollst du ja mitkommen! Damit du mal auf andere Gedanken kommst!“, rief sie. „Sport tut dir gut, außerdem musst du bei deinen Prüfungen bestimmt auch einen Fitnesstest machen!“
„Na gut, aber nicht so lange. Höchstens ein oder zwei Stunden. Zu welchem Training willst du überhaupt gehen?“, fragte ich sie. „Hm…vielleicht laufen? Oder wäre dir schwimmen lieber?“ Bevor ich antworten konnte, betrat der Lehrer den Raum und alle verstummten.
„Guten Morgen, meine Damen und Herren. Da sie alle kurz vor ihren entscheidenden Tests stehen, werden wir heute noch einmal alles Wichtige wiederholen…“, begann er. Nicht schon wieder. Ich wusste, dass ich aufpassen sollte, obwohl wir das alles schon so oft durchgekaut hatten, aber mein Gehirn schaltete einfach ab. Meine Gedanken machten sich selbstständig, liefen in eine unbestimmte Richtung. Plötzlich erinnerte ich mich wieder an meinen Traum. Ich wollte wissen, wer dieser Junge war. Ich hätte alles dafür gegeben, ihn zu kennen. Vermutlich existierte er nicht einmal…ich sollte wirklich an etwas anderes denken. Um mich abzulenken sah ich aus dem Fenster. Aber alles, was ich sah, hatte ich schon viel zu oft gesehen. Die im künstlichen Wind wehenden Blätter der Plastikbäume, Menschen auf dem Weg zum Bahngleis und in nicht allzu großer Entfernung die Mauer, die die Gemeinschaft von der Wildnis trennte. Die Gemeinschaft war im Grunde nur eine einzige große Stadt in einer dicken Betonkuppel, aus der es kein Entrinnen gab. Niemand kam rein und auch niemand raus. Ich wünschte mir oft, dass ich einfach durch Zufall irgendwo eine Tür entdecken würde, die mich hier herausbrachte, aber bis jetzt hatte ich noch keine gefunden. Als ich noch kleiner war, war ich stundenlang in der Stadt an der Mauer herumgelaufen und hatte sie gesucht. Irgendwann hatte ich es aufgegeben. Aber davon zu träumen, dass ich einmal hier heraus komme, nicht. Ich war nur immer weiter in der Stadt herumgerannt, hatte jeden Baum und jeden Stein begutachtet und gehofft, etwas Neues zu entdecken, etwas, das niemand außer mir kannte, aber es war mir nie gelungen. Oft war ich kurz davor gewesen, einfach nach Phantom-Town zu laufen und mich dort umzusehen, aber ich hatte es nie getan. Ich wusste, dass es für Angehörige der Superior-Class strengstens verboten war, dort auch nur einen Fuß hinein zu setzen. Man sagte, das sei, um uns zu schützen, aber die Wahrheit war vermutlich, dass man nicht wollte, dass jemand die schlechten Lebensbedingungen der Menschen dort sah. Das hätte ein schlechtes Licht auf die Gemeinschaft geworfen und das galt es zu vermeiden.
Bevor ich noch weiterdenken konnte, ertönte plötzlich die Mittags-Glocke und Rowan zerrte mich hinter sich her zum Mittagessen. Währenddessen plapperte sie über irgendetwas, das der Lehrer gesagt hatte, aber ich hörte nicht richtig zu.
Im Speisesaal angekommen stellte ich mich in der langen Schlange von Schülern an, die auf ihr Mittagessen warteten. Rowan unterhielt sich währenddessen mit Ryan, einem Mitschüler, der vor uns in der Schlange stand. Als ich an der Reihe war, sagte ich brav meine Nummer und bekam ein Tablett mit einem Alu-Behälter in die Hand gedrückt.
In der Gemeinschaft hatte jeder eine Nummer. Man bekam sie mit der Geburt und behielt sie bis in den Tod. Sie gewährleistete die Identifizierung, die für die Essensausgabe, Berufs- und Partnerzuweisung benötigt wurde. Ich hatte es schon immer als etwas unmenschlich empfunden, jemanden auf eine fünfstellige Nummer zu reduzieren, aber so war nun einmal die Regel der Gesellschaft.
Ich setzte mich zu Rowan, Ryan und Adam an den Tisch und klaubte den Deckel von meinem Behälter. Ein Schwall aus warmem Essensdunst schlug mir entgegen und ich bemerkte, dass ich eigentlich gar nicht hungrig war, obwohl ich heute Morgen kaum etwas gegessen hatte. „Was hast du heute?“, fragte Adam mich und warf einen neugierig einen Blick in meinen Behälter. „Sieht aus wie Hühnchen, Kartoffelbrei und diese braune Soße, die ich nicht mag.“, gab ich zurück. „Ugh…“, machte er. „Du kannst einem echt leidtun. Ich hab Pfannkuchen mit Blaubeeren.“ Er grinste. Mittlerweile hatten auch Rowan und Ryan den Deckel von ihren Behältern gezogen. „Ich hab das gleiche wie du.“, sagte Rowan. „Und ich hab Steak mit Süßkartoffelsalat!“, rief Ryan begeistert. Rowan warf ihm einen neidvollen Blick zu. Steak mochte sie am liebsten, mit Hühnchen konnte sie dagegen gar nichts anfangen.
Ich mochte beides nicht. Ich mochte kein Fleisch. Weil ich wusste, dass es kein echtes war. Ich wusste von meinem Großvater, der mir eine Menge Dinge gesagt hatte, die er nicht sagen hätte dürfen, dass das Fleisch, das wir bekamen, nicht von echten Tieren war. Es wurde künstlich hergestellt, so wie das meiste andere. Die Gemeinschaft hatte vor etwa 100 Jahren beschlossen, dass Tiere ein unnötiges Gesundheitsrisiko darstellten. Man hatte sie alle ausgerottet. Vom Nutz- bis zum Haustier. Alle.
Produkte wie Milch, Eier oder Fleisch wurden mittlerweile künstlich in den Fabriken erzeugt. Dass es so etwas wie Tiere überhaupt einmal gegeben hatte, wussten nur sehr, sehr wenige Menschen. Niemand erinnerte sich mehr wirklich daran. Es wusste auch kaum noch jemand, dass es einmal richtige Pflanzen gegeben hatte. Pflanzen, die welkten und eingingen, wenn man vergaß sie zu gießen. Die Gemeinschaft hatte alle Bäume und Büsche die zur Begrünung der Stadt dienten durch realistische Plastikkopien ersetzt. Sogar das Gras war mittlerweile aus Plastik. Die Gemeinschaft hatte anscheinend gedacht, das sei praktischer. Offensichtlich wurden sämtliche Nutzpflanzen in den Laboren der Gemeinschaft künstlich hergestellt. Ich hätte nur zu gern gewusst, wie sie das anstellten, aber das war eines der größten Geheimnisse der Gemeinschaft. Offensichtlich hatten sie Angst, dass die Menschen versuchen könnten, weniger abhängig zu werden, wenn sie wüssten, wie sie sich selbst versorgen konnten.
Adam riss mich aus meinen Gedanken. „Willst du nichts essen, Elinor?“, fragte er und lachte. Es passierte oft, dass meine Gedanken einfach abdrifteten und ich alles um mich herum nicht mehr wahrnahm. Ich sollte wirklich versuchen, das unter Kontrolle zu kriegen und aufmerksamer zu sein. Ansonsten würde die Gemeinschaft vielleicht irgendwann misstrauisch werden.
Um ihm nicht antworten zu müssen steckt ich mir eine große Gabel voller Kartoffelbrei und Hühnchen in den Mund. Während ich kaute, beobachtete ich Rowan und Ryan dabei, wie sie mit vollen Mündern darüber diskutierten, wo wir heute nach dem Unterricht hingehen würden.
„Ich weiß, dass du nicht so gerne schwimmst, aber um laufen zu gehen ist es heute doch eindeutig zu heiß!“, meckerte Ryan und ich grinste. Die Ausrede, dass es zu heiß war, benutzte er ständig. Dabei war es vollkommen unmöglich, dass es einmal zu heiß oder zu kalt war, weil die Gemeinschaft die Temperatur immer so regelte, dass es genau richtig war.
„Du willst doch nur nicht laufen gehen, weil du dann wieder keuchst und in Schweiß zerfließt!“, lachte Adam. „Genau! Und eben deswegen solltest du ja auch laufen gehen, damit deine Kondition besser wird und das nicht mehr passiert.“, stimmte ihm Rowan zu. Ryan warf mir einen hilfesuchenden Blick zu und ich schluckte einen Klumpen Kartoffelbrei runter, um Antworten zu können. „Ich finde auch, dass wir schwimmen gehen sollten. Immerhin haben wir das schon ziemlich lange nicht mehr getan.“, warf ich ein.
„Na gut, meinetwegen, dann gehen wir eben schwimmen. Aber nur, wenn ihr mir versprecht, dass wir das nächste Mal dann laufen gehen!“, maulte Rowan und begann, weiter zu essen. Ryan warf mir einen dankbaren Blick zu. Von allen meinen Freunden mochte ich ihn am liebsten. Weil er anders war. Mir war schon öfter aufgefallen, dass auch er nicht zu hundert Prozent hinter der Gemeinschaft stand, sondern auch gewisse Dinge hinterfragte. Ich hätte gerne mit ihm über diese Dinge gesprochen, aber er wusste nicht, wie ich darüber dachte und ich wollte ihn nicht in Gefahr bringen. Rowan und Adam hingegen waren Musterbürger. Sie standen voll und ganz hinter dem, was die Gemeinschaft tat. Aber ich konnte ihnen keinen Vorwurf deswegen machen, immerhin waren sie so erzogen worden.
Um mich nicht mit den anderen unterhalten zu müssen, die mittlerweile zum Thema Prüfungen gewechselt hatten, tat ich so, als wäre ich voll und ganz mit meinem Hühnchen beschäftigt. Ich zerrupfte das Stück Fleisch, rührte damit in der Soße herum, ließ es wieder fallen und tunkte es schlussendlich noch in den Kartoffelbrei. Ich bemerkte nicht, dass Ryan mich mit besorgtem Blick beobachtete.
Irgendwie schaffte ich es, bis zum Ende der Mittagspause alles aufgegessen zu haben. Ich bot den anderen an, ihre Alubehälter mit zum Mülleimer zu nehmen. Adam und Rowan verdrückten sich sofort und ließen ihre Behälter stehen, aber Ryan blieb und meinte, dass ich das doch gar nicht alles alleine tragen könnte. Nebeneinander liefen wir zum Mülleimer. Während wir in der Schlange standen, fragte er mich plötzlich, ob er einmal mit mir unter vier Augen sprechen könnte. An dem Blick, der in seinen Augen lag, bemerkte ich, dass er alleine mit mir sprechen wollte. Ganz alleine, ohne dass irgendwer von der Gemeinschaft mitbekam, über was wir sprachen. Irgendwo, wo uns niemand belauschen konnte. „Wann und wo?“, fragte ich. Ihm schien es wirklich wichtig zu sein. „Nach dem Schwimmen. Ich…ich kenne da einen Ort bei der Schwimmhalle, wo wir ungestört sind.“, sagte er, warf die Alubehälter in den Müll und verschwand ohne ein weiteres Wort.
Den restlichen Unterricht über rätselte ich, was Ryan mir wohl zu sagen hatte. Es musste etwas sein, dass niemand erfahren durfte, etwas schlimmes oder verräterisch. Etwas, wodurch jemand zu Schaden kommen könnte. Das hatte ich an seinem Blick gesehen.
Achja - das, was da drüber auf Englisch steht ist ein (etwas umgewandeltes) Zitat aus einem OneRepublic Song...ich fand, das passt irgendwie zu meinem Gesamt-Konzept von dem Buch (auch wenn der hier vielleicht noch nicht so ganz rauskommt :D) und irgendwie fasel ich schon wieder viel zu viel rum, deswegen, lest selber:
I DON’T THINK THE WORLD IS SOLID, WE’RE JUST DOING WHAT WE’RE TOLD.
Als ich aufwachte, war ich schweißgebadet. Schon wieder hatte ich diesen Traum gehabt. Wieder war ich im Traum auf diesem Turm gestanden. Wieder hatte er mich in den sicheren Tod gestoßen. Nur dass ich nicht wusste, wer er war. Aus meinen Träumen wusste ich, wie er aussah, aber ich kannte ihn nicht. Ein Gesicht wie seines hätte ich mir sicherlich gemerkt. Hohe, markante Wangenknochen, blasse, makellose Haut, das Gesicht umrahmt von halblangen, schwarzen Haaren. Und wenn ich mir das Gesicht nicht gemerkt hätte, dann bestimmt die Augen. Sie waren von einem tiefen dunkelbraun, mit silbernen und jadegrünen Sprenkeln darin. Jedes Mal, wenn ich diesen Traum hatte, waren sie das letzte, das ich sah, während ich wie in Zeitlupe rückwärts von der Plattform fiel. Das schlimmste an dem Traum war aber nicht, dass ich starb. Sondern der Ausdruck in seinen Augen. Darin lag tiefe Verzweiflung, gemischt mit Liebe, Angst und Enttäuschung.
Ich seufzte und warf einen Blick auf die Uhr. Es war 3.15 Uhr. Ich wollte aufstehen, mir etwas zu trinken holen und dann vielleicht weiterschlafen, aber ich wusste, dass es von der Gemeinschaft registriert werden würde. Man würde merken, dass etwas nicht in Ordnung war. Wenn sie das nicht jetzt schon taten. Sie überwachten alles. Jedes Wort, jeden Schritt, jeden Atemzug, den du machst, registrieren sie und werten ihn aus. Sie sagen, das sei zu unserer Sicherheit. Um uns vor Krankheiten, Kriegen und sozialen Ungleichheiten zu bewahren. Und die Menschen akzeptierten es. Sie waren es nicht anders gewohnt und wollten es auch gar nicht anders. Immerhin fehlte es ihnen an nichts. Sie waren nicht krank und hatten genug zu essen. Dass sie bei diesem System aber so gut wie keine Selbstbestimmung mehr hatten, bemerkten sie nicht. Für sie wurde alles geregelt. Der Tagesablauf, wo sie lebten, was sie für Kleidung trugen, mit wem sie verheiratet waren und wie viele Kinder sie bekamen, sogar welches Geschlecht ihr Kind hatte. All das wurde für die Menschen von der Gemeinschaft bestimmt. Niemand lehnte sich dagegen auf. Alle lebten friedlich zusammen, in drei Klassen geteilt in fünf verschiedenen Verwaltungsgebieten. Sie waren damit zufrieden, wie Ware in drei Klassen eingeteilt zu werden – die Superior-Class, die Average-Class und die Phantom-Class.
Ich gehörte der Superior-Class an, der besten der drei Klassen. Irgendwie logisch, wenn man die Tatsache in Betracht zog, dass mein Vater so etwas wie der Sicherheitschef der Gemeinschaft war. Die Average-Class war der Durchschnitt, nicht gut, nicht schlecht. Und wenn man der Phantom-Class angehörte, war man entweder hineingeboren oder man hatte es selbst verschuldet, indem man ein Verbrechen begangen hatte oder sich aufgelehnt hatte. Mir war von klein auf beigebracht worden, dass die Menschen der Phantom-Class Menschen zweiter Klasse waren. Man hatte mir eingetrichtert, sie zu ignorieren, so, wie es alle taten. Sie seien böse, ungebildet und zurückgeblieben. So hatte man es mir in der Schule beigebracht. Und ich glaubte ihnen. Ich wusste es ja nicht besser.
Ich hatte noch nie jemanden aus der Phantom-Class auch nur aus der Nähe gesehen. Sie lebten in gesonderten Gebieten, den sogenannten Phantom-Towns. Sie durften nur von dort weg, um zu arbeiten. Sie bekamen nur die niederen Arbeiten. In der Fabrik am Fließband, bei der Müllentsorgung oder in den Wäschereien. Mich hingegen erwartete nach dem Abschluss meiner Schulzeit eine Arbeit, die in der Gemeinschaft hoch angesehen war. In der Verwaltung, bei der Paarungsbehörde, bei der Entwicklung oder eine andere hohe Stellung. Wo genau, würden die Tests zeigen, die in nicht allzu ferner Zukunft mit mir gemacht werden würden, um herauszufinden, für was ich am besten geeignet wäre. Und um herauszufinden, welcher mein optimaler Partner wäre. Dieser Gedanke bereitete mir schon seit Monaten ein flaues Gefühl im Magen. In einem Monat würde ich siebzehn werden. Dann würde man mir meine endgültige Arbeitsstelle mitteilen und mich mit meinem zukünftigen Partner bekannt machen. Mit achtzehn würde ich verheiratet werden und dann würde von mir erwartet werden, die mir bestimme Anzahl Kinder zu bekommen. Um den Fortbestand der Gemeinschaft zu sichern und die Superior-Class mächtig zu halten. Ich wollte nichts von alledem. Ich wollte frei sein, eigene Entscheidungen treffen, mir selbst aussuchen, wen ich liebte. Aber es war verboten so zu denken. Ich war mir nicht sicher, ob die Gemeinschaft unsere Gedanken überwachen ließ. Die Mittel dazu hatte sie auf jeden Fall. Aber wenn sie es täte, wäre ich jetzt nicht hier. Dann hätte man mich schon längst aus dem Weg geräumt oder in die Phantom-Class degradiert. Wieder warf ich einen Blick auf meinen Wecker, der mir in großen, roten Ziffern anzeigte, dass erst drei Minuten vergangen waren. Vielleicht sollte ich einfach versuchen, wieder zu schlafen. Gerade in dem Moment, als ich die Augen schloss, klopfte es leise an meiner Schlafzimmertür. Bevor ich etwas sagen konnte, wurde sie einen kleinen Spalt breit aufgeschoben und ich sah meinen Bruder Jamie im Mondlicht stehen. „Darf ich reinkommen?“, fragte er leise. „Ich kann nicht schlafen…“ Ich seufzte. Das machte er öfter, als mir lieb war. Ich wollte nicht, dass die Gemeinschaft Schlafstörungen oder etwas in der Art bei ihm zu bemerken glaubte und ihm dagegen irgendwelche Mittelchen ins Essen mischte. Vielleicht, wenn er Glück hatte, war er aber auch noch zu klein, um überwacht zu werden.
„Klar, komm her.“, flüsterte ich und zog ihn zu mir ins Bett. Er kroch unter meine Decke und er schmiegte sich eng an mich. „Hast du wieder schlecht geträumt?“, fragte ich ihn. Er machte ‚Mhm‘ und vergrub sein Gesicht in der Bettdecke. Ich strich ihm mit der Hand über den Kopf und schloss meine Augen. Wenig später war ich eingeschlafen, genauso wie mein Bruder neben mir.
„Elinor, komm, steh auf!“, rief meine Mutter. Ich murmelte etwas unverständliches von wegen ‚Lass mich in Ruhe!‘ , drehte mich um und zog mir die Decke wieder über den Kopf. „Los jetzt, mach dass du aus dem Bett kommst, es ist schon halb acht!“, keifte sie weiter. Langsam begann mein Hirn zu schalten. Halb acht…Verdammt! Das hieß, ich hatte nur noch etwa 20 Minuten Zeit, um zu essen und in die Schule zu kommen. Fluchend sprang ich aus dem Bett und rannte über durch den Flur in Richtung Badezimmer. Dort angekommen spritzte ich mir eiskaltes Wasser ins Gesicht und kämmte mir die Haare. Als ich zum Schluss einen Blick in den Spiegel warf, keuchte ich leise auf. Ich war leichenblass und die Ringe unter meinen Augen waren dunkelblau, wodurch das klare Blau meiner Augen noch strahlender wirkte als sonst. Ich seufzte. Das würde Fragen aufwerfen. Ob ich mich krank fühlte oder ob ich schlecht geschlafen hatte. Und ich würde ihnen sagen, dass es mir gut ginge. Im Grunde genommen war das sogar die Wahrheit. Immerhin war ich nicht krank. Ich hatte nur seltsame Träume, aber davon brauchte die Gemeinschaft nichts zu wissen.
Ich lief zurück in mein Zimmer und zerrte einen dunkelblauen Rock und eine weiße Bluse aus meinem Schrank. Jeden Tag das gleiche. Die Gemeinschaft schrieb vor, was wir trugen. Als Mädchen trug man in der Superior-Class trug man in der Schule oder bei der Arbeit einen dunkelblauen Rock und eine weiße Bluse, in der Freizeit anstelle des Rocks eine Hose. In der Average-Class waren der Rock und die Hose grau, in der Phantom-Class schwarz.
Zum Schluss schlüpfte ich in diese grässlichen braunen Absatzschuhe, die die Mädchen der Superior-Class zu tragen hatten und rannte damit, so schnell es eben ging, in die Küche. Dort saß schon mein Bruder am Tisch, vor sich den Behälter mit seinem Frühstück. Ich setzte mich neben ihn und riss den Deckel von meinem eigenen Behälter. Warmer Essensduft strömte mir entgegen. Heute Morgen gab es Rührei, das mochte ich am liebsten. Jamie warf einen neidischen Blick auf mein Frühstück und ich bemerkte, dass sich in seinem Behälter eine bräunliche, schleimige Substanz befand, die er sich lustlos in den Mund schaufelte. Haferschleim. Schon wieder. Jamie bekam den neuerdings ständig, dabei hasste er das Zeug. Offensichtlich glaubte die Gemeinschaft, das würde sein Wachstum fördern. So schnell ich konnte schlang ich mein Essen hinunter, ohne irgendwas zu schmecken. Jamie war mittlerweile fertig und hatte seinen Essens-Behälter in die dafür vorhergesehene Sammelstelle geworfen. Dann setzte er sich wieder neben mich an den Tisch und beobachtete mich beim Essen. Ich warf einen Blick auf die Uhr und bemerkte, dass ich, wenn ich den Schultransport noch erreichen wollte, sofort gehen musste.
„Hier, wenn du willst kannst du das noch essen!“, sagte ich zu Jamie und deutete auf die übrig gebliebene Hälfte von meinem Rührei. „Aber das darf ich doch nicht! Das ist verboten und außerdem ist das doch dein Essen?“, gab er zurück. „Mach ruhig, wenn wir es niemandem sagen merkt es auch keiner. Ich muss jetzt los!“, meinte ich und strich ihm mit der Hand über die lockigen, braunen Haare. Seine waren so anders als meine. Meine waren blond und glatt, aber der Rest meiner Familie hatte dieselben braunen Locken wie Jamie. Im Großen und Ganzen sah ich weder meinem Bruder noch meinen Eltern wirklich ähnlich. Sie alle waren groß und muskulös, wurden schnell braun und hatten alle die gleichen schokobraunen Augen. Ich hingegen war klein und schmächtig, hatte helle, fast durchscheinende Haut und strahlend blaue Augen.
Als ich an der Tür ankam, warf ich einen Blick über meine Schultern und musste grinsen, als ich Jamie sah, wie er gierig das Rührei in sich reinstopfte. Dann trat ich hinaus auf die Straße und musste meine Augen zusammenkneifen. So hell war es schon lange nicht mehr gewesen.
Offensichtlich hatte die Gemeinschaft beschlossen, die Strahler, die uns so etwas wie Sonnenlicht vorgaukeln sollten, heute besonders hell zu stellen.
Die Welt, in der ich lebte, war begrenzt. Die fünf Verwaltungsgebiete der Gemeinschaft befanden sich in einem abgeschlossenen Ökosystem, aus dem niemand hinaus kam. Außerhalb dieses Systems gab es nichts. So hatte man es uns beigebracht. Da draußen war nur die Wildnis, abgeschirmt von meterdicken Mauern. Man hatte uns erklärt, dass es da draußen kein Leben mehr gibt. Nichts. Alles war von einem furchtbaren Krieg zerstört worden, der mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen ausgefochten worden war. Das war 200 Jahre her. Ob es die Wahrheit war, wusste ich nicht. Aber die Menschen hatten fürchterliche Angst vor dem, was da draußen war. Deswegen hatte auch nie jemand versucht, zu flüchten. Zumindest war nichts Derartiges bekannt. Darin war die Gemeinschaft gut: unangenehme Dinge zu verschweigen.
Allerdings war mir einmal zu Ohren gekommen, dass die Gemeinschaft vor langer Zeit Rebellen nach draußen, in die Wildnis, verbannt hatte um sie los zu werden. Ob es stimmte, oder ob es nur eine Schauergeschichte war, um die Menschen von einer Rebellion abzuhalten, wusste ich nicht.
Im Grunde wusste ich nichts, außer dem, was die Gemeinschaft uns allen eintrichterte und das machte mich krank. Ich wollte und ich konnte ihnen nicht alles glauben. Immer hatte ich das Gefühl, dass die Gemeinschaft uns unser ganzes Leben, unsere ganze Existenz nur vorgaukelte. Dass sie uns nur als ihre Schachfiguren benutze und mit allen Mitteln versuchte, uns unter Kontrolle zu halten. Und es funktionierte. Niemand lehnte sich gegen die Regeln der Gemeinschaft auf. Alle fanden es völlig normal, kaum über ihr eigenes Leben bestimmen zu können. Ihnen war es völlig fremd, wichtige Entscheidungen wie Berufs- oder Partnerwahl selbst zu treffen. Sie verließen sich darauf, dass die Gemeinschaft so für sie entschied, wie es am besten für sie war. Und das schon seit Generationen.
Bevor ich noch weiterdenken konnte, hielt der Schultransport genau vor meiner Nase an der Haltestelle. Die Tür öffnete sich, ich stieg ein und blickte mich nach einem Sitzplatz um. Weiter hinten im Abteil entdeckte ich einen freien, neben einem Jungen, der vermutlich auf meine Schule ging. „Darf ich mich setzen?“, fragte ich und deutete auf den Sitz neben ihm. Er blickte kurz von dem Bildschirm seines Tablets auf, nickte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm.
Die Bildschirme waren allgegenwärtig. Niemand schrieb mehr mit der Hand, jeder tippte nur noch auf seinem persönlichen Bildschirm herum wie ein Besessener. Die Menschen waren von der Technik schon total abhängig geworden. Niemand kam mehr ohne eines dieser dünnen, federleichten Tabletts aus. Darauf war das ganze Leben der Menschen gespeichert. Kontaktdaten, Zeitpläne, der Schulstoff. Wenn ich alleine war, benutzte ich mein Tablet nur selten. Natürlich war es ein toller Zeitvertreib, immerhin konnte man darauf mit seinen Freunden kommunizieren oder Spiele spielen, aber ich wollte nicht so abhängig sein wie alle anderen. Ich benutzte es auch nicht, um Tagebuch zu schreiben, obwohl ich das gerne getan hätte, um meine Gedanken zu ordnen. Aber mir schien es zu gefährlich, alle meine Gedanken darin aufzubewahren, weil ich nicht wusste, ob die Gemeinschaft die Geräte und ihre Inhalte überwachen ließ. Manchmal wünschte ich mir, schreiben zu können. Richtig schreiben zu können, mit einem Stift auf echtem Papier. Ich hatte weder das eine noch der andere jemals gesehen, ich wusste nur, dass es vor langer Zeit einmal existiert hatte und von den Menschen täglich benutzt worden war. Papier gab es schon lange nicht mehr. Alles lief nur noch über Bildschirme. Auch Bücher gab es keine mehr, die Gemeinschaft hatte sie alle vernichten lassen.
Mein Großvater hatte mir auch vor einigen Jahren mal von etwas erzählt, das Musik genannt wurde. Die Menschen hatten es selbst gemacht, mit Dingen, die man Instrumente nannte. Aber auch das hatte die Gemeinschaft verboten. Man war der Meinung, die Menschen sollten sich nur auf ihre Aufgaben konzentrieren, arbeiten und dem gesellschaftlichen Standard entsprechen. Alles, das die Menschen davon ablenken könnte, war verboten worden.
In Gedanken versunken sah ich aus dem Fenster. Ich sah die weißen, kastenförmigen Häuser der Superior-Class an mir vorbeiziehen. Hier war alles gleich. Die Wohnhäuser für die Bürger der Gemeinschaft waren von draußen und drinnen genau gleich, damit keine Ungleichheit innerhalb einer Klasse entstand. Die Häuser der Average-Class waren etwas kleiner als die der Superior-Class und hatten auch keine Dachterrasse. Im Gegensatz zu den Hütten der Phantom-Class waren sie aber direkt luxuriös. Die Phantom-Class musste in kleinen, vom Schmutz grauen Hütten leben, die eng zusammengedrängt in den dafür vorgesehenen Wohngebieten leben.
Plötzlich stupste mich der Jungen neben mir an und machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür, die sich langsam öffnete. Wenn er mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, hätte ich nicht mal bemerkt, dass ich schon aussteigen musste. Ich schnappte mir meine Tasche und schlüpfte durch die Tür, raus auf den Bahnsteig. Dort reihte ich mich in die Masse an Schülern ein, die auf den Eingang der Schule zuströmten. Ich stieg die Treppen hoch und lief dann in die Richtung meines Klassenzimmers. Mittlerweile war ich im letzten der vier Schuljahre angelangt. Die Kinder wurden zuerst vier Jahre in einen Kinderhort gesteckt, bevor sie in die Schule kamen. Dort wurde ihnen dann vier Jahre lang die Lehre der Gesellschaft eingetrichtert, was für Gefahren ein Leben ohne die Gesellschaft für uns bedeuten würde und nach welchen Kriterien unsere zukünftige Arbeitsstelle und unser Lebenspartner ausgewählt werden würden.
Nach den vier Jahren war alles so fest in den Gehirnen der Schüler verankert, dass keiner von ihnen jemals auf die Idee kommen würde, eine Rebellion gegen die Gemeinschaft zu beginnen.
Mittlerweile war ich an dem Raum angekommen, in dem sich mein Klassenzimmer befand. Ich ging hinein, warf meine Tasche auf meinen üblichen Sitzplatz und ließ mich auf den weißen, harten Stuhl fallen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es noch etwa 10 Minuten bis zum Unterrichtsbeginn waren.
"Na du?“, hörte ich plötzlich eine vertraute Stimme, dicht neben meinem Ohr. „Kommst du heute Nachmittag mit zum Training?“
Es war die Stimme meiner besten Freundin und Banknachbarin Rowan. Sie ließ sich auf den Stuhl neben mir fallen und warf ihre leuchtend roten Haare über die Schulter zurück. „Ach…ich weiß nicht so Recht…du weißt doch, dass meine Prüfungen bald bevorstehen…“, gab ich zurück. „Genau deswegen sollst du ja mitkommen! Damit du mal auf andere Gedanken kommst!“, rief sie. „Sport tut dir gut, außerdem musst du bei deinen Prüfungen bestimmt auch einen Fitnesstest machen!“
„Na gut, aber nicht so lange. Höchstens ein oder zwei Stunden. Zu welchem Training willst du überhaupt gehen?“, fragte ich sie. „Hm…vielleicht laufen? Oder wäre dir schwimmen lieber?“ Bevor ich antworten konnte, betrat der Lehrer den Raum und alle verstummten.
„Guten Morgen, meine Damen und Herren. Da sie alle kurz vor ihren entscheidenden Tests stehen, werden wir heute noch einmal alles Wichtige wiederholen…“, begann er. Nicht schon wieder. Ich wusste, dass ich aufpassen sollte, obwohl wir das alles schon so oft durchgekaut hatten, aber mein Gehirn schaltete einfach ab. Meine Gedanken machten sich selbstständig, liefen in eine unbestimmte Richtung. Plötzlich erinnerte ich mich wieder an meinen Traum. Ich wollte wissen, wer dieser Junge war. Ich hätte alles dafür gegeben, ihn zu kennen. Vermutlich existierte er nicht einmal…ich sollte wirklich an etwas anderes denken. Um mich abzulenken sah ich aus dem Fenster. Aber alles, was ich sah, hatte ich schon viel zu oft gesehen. Die im künstlichen Wind wehenden Blätter der Plastikbäume, Menschen auf dem Weg zum Bahngleis und in nicht allzu großer Entfernung die Mauer, die die Gemeinschaft von der Wildnis trennte. Die Gemeinschaft war im Grunde nur eine einzige große Stadt in einer dicken Betonkuppel, aus der es kein Entrinnen gab. Niemand kam rein und auch niemand raus. Ich wünschte mir oft, dass ich einfach durch Zufall irgendwo eine Tür entdecken würde, die mich hier herausbrachte, aber bis jetzt hatte ich noch keine gefunden. Als ich noch kleiner war, war ich stundenlang in der Stadt an der Mauer herumgelaufen und hatte sie gesucht. Irgendwann hatte ich es aufgegeben. Aber davon zu träumen, dass ich einmal hier heraus komme, nicht. Ich war nur immer weiter in der Stadt herumgerannt, hatte jeden Baum und jeden Stein begutachtet und gehofft, etwas Neues zu entdecken, etwas, das niemand außer mir kannte, aber es war mir nie gelungen. Oft war ich kurz davor gewesen, einfach nach Phantom-Town zu laufen und mich dort umzusehen, aber ich hatte es nie getan. Ich wusste, dass es für Angehörige der Superior-Class strengstens verboten war, dort auch nur einen Fuß hinein zu setzen. Man sagte, das sei, um uns zu schützen, aber die Wahrheit war vermutlich, dass man nicht wollte, dass jemand die schlechten Lebensbedingungen der Menschen dort sah. Das hätte ein schlechtes Licht auf die Gemeinschaft geworfen und das galt es zu vermeiden.
Bevor ich noch weiterdenken konnte, ertönte plötzlich die Mittags-Glocke und Rowan zerrte mich hinter sich her zum Mittagessen. Währenddessen plapperte sie über irgendetwas, das der Lehrer gesagt hatte, aber ich hörte nicht richtig zu.
Im Speisesaal angekommen stellte ich mich in der langen Schlange von Schülern an, die auf ihr Mittagessen warteten. Rowan unterhielt sich währenddessen mit Ryan, einem Mitschüler, der vor uns in der Schlange stand. Als ich an der Reihe war, sagte ich brav meine Nummer und bekam ein Tablett mit einem Alu-Behälter in die Hand gedrückt.
In der Gemeinschaft hatte jeder eine Nummer. Man bekam sie mit der Geburt und behielt sie bis in den Tod. Sie gewährleistete die Identifizierung, die für die Essensausgabe, Berufs- und Partnerzuweisung benötigt wurde. Ich hatte es schon immer als etwas unmenschlich empfunden, jemanden auf eine fünfstellige Nummer zu reduzieren, aber so war nun einmal die Regel der Gesellschaft.
Ich setzte mich zu Rowan, Ryan und Adam an den Tisch und klaubte den Deckel von meinem Behälter. Ein Schwall aus warmem Essensdunst schlug mir entgegen und ich bemerkte, dass ich eigentlich gar nicht hungrig war, obwohl ich heute Morgen kaum etwas gegessen hatte. „Was hast du heute?“, fragte Adam mich und warf einen neugierig einen Blick in meinen Behälter. „Sieht aus wie Hühnchen, Kartoffelbrei und diese braune Soße, die ich nicht mag.“, gab ich zurück. „Ugh…“, machte er. „Du kannst einem echt leidtun. Ich hab Pfannkuchen mit Blaubeeren.“ Er grinste. Mittlerweile hatten auch Rowan und Ryan den Deckel von ihren Behältern gezogen. „Ich hab das gleiche wie du.“, sagte Rowan. „Und ich hab Steak mit Süßkartoffelsalat!“, rief Ryan begeistert. Rowan warf ihm einen neidvollen Blick zu. Steak mochte sie am liebsten, mit Hühnchen konnte sie dagegen gar nichts anfangen.
Ich mochte beides nicht. Ich mochte kein Fleisch. Weil ich wusste, dass es kein echtes war. Ich wusste von meinem Großvater, der mir eine Menge Dinge gesagt hatte, die er nicht sagen hätte dürfen, dass das Fleisch, das wir bekamen, nicht von echten Tieren war. Es wurde künstlich hergestellt, so wie das meiste andere. Die Gemeinschaft hatte vor etwa 100 Jahren beschlossen, dass Tiere ein unnötiges Gesundheitsrisiko darstellten. Man hatte sie alle ausgerottet. Vom Nutz- bis zum Haustier. Alle.
Produkte wie Milch, Eier oder Fleisch wurden mittlerweile künstlich in den Fabriken erzeugt. Dass es so etwas wie Tiere überhaupt einmal gegeben hatte, wussten nur sehr, sehr wenige Menschen. Niemand erinnerte sich mehr wirklich daran. Es wusste auch kaum noch jemand, dass es einmal richtige Pflanzen gegeben hatte. Pflanzen, die welkten und eingingen, wenn man vergaß sie zu gießen. Die Gemeinschaft hatte alle Bäume und Büsche die zur Begrünung der Stadt dienten durch realistische Plastikkopien ersetzt. Sogar das Gras war mittlerweile aus Plastik. Die Gemeinschaft hatte anscheinend gedacht, das sei praktischer. Offensichtlich wurden sämtliche Nutzpflanzen in den Laboren der Gemeinschaft künstlich hergestellt. Ich hätte nur zu gern gewusst, wie sie das anstellten, aber das war eines der größten Geheimnisse der Gemeinschaft. Offensichtlich hatten sie Angst, dass die Menschen versuchen könnten, weniger abhängig zu werden, wenn sie wüssten, wie sie sich selbst versorgen konnten.
Adam riss mich aus meinen Gedanken. „Willst du nichts essen, Elinor?“, fragte er und lachte. Es passierte oft, dass meine Gedanken einfach abdrifteten und ich alles um mich herum nicht mehr wahrnahm. Ich sollte wirklich versuchen, das unter Kontrolle zu kriegen und aufmerksamer zu sein. Ansonsten würde die Gemeinschaft vielleicht irgendwann misstrauisch werden.
Um ihm nicht antworten zu müssen steckt ich mir eine große Gabel voller Kartoffelbrei und Hühnchen in den Mund. Während ich kaute, beobachtete ich Rowan und Ryan dabei, wie sie mit vollen Mündern darüber diskutierten, wo wir heute nach dem Unterricht hingehen würden.
„Ich weiß, dass du nicht so gerne schwimmst, aber um laufen zu gehen ist es heute doch eindeutig zu heiß!“, meckerte Ryan und ich grinste. Die Ausrede, dass es zu heiß war, benutzte er ständig. Dabei war es vollkommen unmöglich, dass es einmal zu heiß oder zu kalt war, weil die Gemeinschaft die Temperatur immer so regelte, dass es genau richtig war.
„Du willst doch nur nicht laufen gehen, weil du dann wieder keuchst und in Schweiß zerfließt!“, lachte Adam. „Genau! Und eben deswegen solltest du ja auch laufen gehen, damit deine Kondition besser wird und das nicht mehr passiert.“, stimmte ihm Rowan zu. Ryan warf mir einen hilfesuchenden Blick zu und ich schluckte einen Klumpen Kartoffelbrei runter, um Antworten zu können. „Ich finde auch, dass wir schwimmen gehen sollten. Immerhin haben wir das schon ziemlich lange nicht mehr getan.“, warf ich ein.
„Na gut, meinetwegen, dann gehen wir eben schwimmen. Aber nur, wenn ihr mir versprecht, dass wir das nächste Mal dann laufen gehen!“, maulte Rowan und begann, weiter zu essen. Ryan warf mir einen dankbaren Blick zu. Von allen meinen Freunden mochte ich ihn am liebsten. Weil er anders war. Mir war schon öfter aufgefallen, dass auch er nicht zu hundert Prozent hinter der Gemeinschaft stand, sondern auch gewisse Dinge hinterfragte. Ich hätte gerne mit ihm über diese Dinge gesprochen, aber er wusste nicht, wie ich darüber dachte und ich wollte ihn nicht in Gefahr bringen. Rowan und Adam hingegen waren Musterbürger. Sie standen voll und ganz hinter dem, was die Gemeinschaft tat. Aber ich konnte ihnen keinen Vorwurf deswegen machen, immerhin waren sie so erzogen worden.
Um mich nicht mit den anderen unterhalten zu müssen, die mittlerweile zum Thema Prüfungen gewechselt hatten, tat ich so, als wäre ich voll und ganz mit meinem Hühnchen beschäftigt. Ich zerrupfte das Stück Fleisch, rührte damit in der Soße herum, ließ es wieder fallen und tunkte es schlussendlich noch in den Kartoffelbrei. Ich bemerkte nicht, dass Ryan mich mit besorgtem Blick beobachtete.
Irgendwie schaffte ich es, bis zum Ende der Mittagspause alles aufgegessen zu haben. Ich bot den anderen an, ihre Alubehälter mit zum Mülleimer zu nehmen. Adam und Rowan verdrückten sich sofort und ließen ihre Behälter stehen, aber Ryan blieb und meinte, dass ich das doch gar nicht alles alleine tragen könnte. Nebeneinander liefen wir zum Mülleimer. Während wir in der Schlange standen, fragte er mich plötzlich, ob er einmal mit mir unter vier Augen sprechen könnte. An dem Blick, der in seinen Augen lag, bemerkte ich, dass er alleine mit mir sprechen wollte. Ganz alleine, ohne dass irgendwer von der Gemeinschaft mitbekam, über was wir sprachen. Irgendwo, wo uns niemand belauschen konnte. „Wann und wo?“, fragte ich. Ihm schien es wirklich wichtig zu sein. „Nach dem Schwimmen. Ich…ich kenne da einen Ort bei der Schwimmhalle, wo wir ungestört sind.“, sagte er, warf die Alubehälter in den Müll und verschwand ohne ein weiteres Wort.
Den restlichen Unterricht über rätselte ich, was Ryan mir wohl zu sagen hatte. Es musste etwas sein, dass niemand erfahren durfte, etwas schlimmes oder verräterisch. Etwas, wodurch jemand zu Schaden kommen könnte. Das hatte ich an seinem Blick gesehen.
Thema: Writing
Wer den Beitrag vor diesem hier gelesen hat weiss, dass ich grade an einem Buch schreibe :) Jetzt bin ich dann so weit, dass die männliche Hauptperson ins Spiel kommt....nur hat die noch keinen Namen xD Und ich kann mich irgendwie nicht entscheiden, welchen ich nehmen soll.
Deswegen frag ich jetzt euch mal, was ihr für eine männliche Hauptperson für einen Namen benutzen würdet (egal, welchen Charakter die Person hat, ...) und was ihr für Männernamen schön findet :)
Vielleicht hab ich ja Glück und es ist einer dabei wo ich sag: "Der ist's!" :DD
Deswegen frag ich jetzt euch mal, was ihr für eine männliche Hauptperson für einen Namen benutzen würdet (egal, welchen Charakter die Person hat, ...) und was ihr für Männernamen schön findet :)
Vielleicht hab ich ja Glück und es ist einer dabei wo ich sag: "Der ist's!" :DD